• Arbeitsgemeinschaft ökologischer Forschungsinstitute - AGÖF

    Stellungnahme der AGÖF zur Richtlinie VDI 6202-3 - Asbest

    VDI-Richtlinie 6202-3 - Schadstoffbelastete bauliche und technische Anlagen, Asbest – Erkundung und Bewertung

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    Veröffentlicht: endgültige Version des AGÖF-Leitfadens

    Hausstaubuntersuchungen auf chemische Parameter" (SVOC, Schwermetalle, POM)

AGÖF - das Innenraumkompetenzzentrum

Formaldehyd

 

Foto Kosmetika


Wesentliche kritische Punkte
Grenz- und Orientierungswerte
Bewertung und Empfehlungen der AGÖF

Formaldehyd ist ein farbloses, in hohen Konzentrationen stechend riechendes, brennbares Gas. Seit dem Beginn der großtechnischen Produktion vor etwa 100 Jahren wird es hauptsächlich zur Produktion von Kunstharzen eingesetzt: früher zur Herstellung von Bakelit, einem Phenol-Formaldehyd-Harz - heute werden 75 % der jährlich in Deutschland produzierten 600 000 Tonnen zu Kunststoffen verarbeitet.

Als Harnstoff-Formaldehyd-Harz wird es im Bindemittel von 90 % der Spanplatten eingesetzt. Wegen seiner fungiziden, viruziden und bakteriziden Eigenschaften wird es als Desinfektionsmittel und Konservierungsstoff in der Medizin und in Kosmetika eingesetzt. Ebenso werden Harnstoff-Formaldehyd-Harze und Melamin-Formaldehyd-Harze in Textilien zur Erhöhung der Knitterfestigkeit verwendet.

Quellen für die Belastung der Innenraumluft sind: Spanplatten und andere Holzwerkstoffe wie OSB-und Tischlerplatten, Sperrholz und Fertigparkett, Isolierschäume, Mineralwolle, Lacke, insbesondere säurehärtende Lacke, Farben und Kleber, Textilien und Teppichböden. Beim Heizen und Kochen mit Holz und Gas entsteht ebenso Formaldehyd wie beim Verbrennen von Tabak. In Haushalten, in denen geraucht wird, stammt der überwiegende Teil des im Wohnbereich vorkommenden Formaldehyds aus dem Tabakrauch.

Bei der Einschätzung der Formaldehydquellen muss berücksichtigt werden, dass das Formaldehyd über die ganze Lebensdauer des emittierenden (Bau-) Produktes ständig ausdünstet, und nicht, wie oft irrtümlich angenommen wird, nach einem bestimmten Zeitraum "weggedünstet" ist.

Wesentliche kritische Punkte

Die Freisetzung von Formaldehyd aus den oben genannten Materialien kann zu Augenreizungen, Reizungen der Atemwege, Kopfschmerzen, Minderung der Konzentrationsfähigkeit, Gedächtnisstörungen, Übelkeit, Erkältungen, Schlafstörungen, Allergien, Mattigkeitsgefühl, Depressionen führen.

Allergiker reagieren empfindlicher auf Formaldehyd als andere Menschen. Die Formaldehydexposition kann zu allergischen Reaktionen an der Haut und den hautnahen Schleimhäuten führen.

Formaldehyd wird von der EU ab 1.1.2016 als vermutlich beim Menschen krebserregend (Kategorie 1B) und als Substanz die als erbgutverändernd angesehen werden kann (Kategorie 2) eingestuft. Bei Unterschreitung des MAK-Wertes wird aber kein erhöhtes Krebsrisiko erwartet (WHO 2010).

Die Geruchsschwelle liegt bei 0,125 ppm (160 µg/m³), geruchsempfindliche Menschenkönnen schon 0,05 ppm (60 µg/m³) Formaldehyd wahrnehmen.

Mit Beeinträchtigungen des Wohlbefindens ist bei Konzentrationen ab 0,05 ppm zu rechnen. Die genannten massiveren gesundheitlichen Beeinträchtigungen werden ab 0,2 ppm beobachtet.

Die Einhaltung der E 1 - Norm durch Spanplatten und Möbel aus Spanplatten liefert nicht die Sicherheit, dass in der Raumluft die Konzentration von 0,1 ppm nicht überschritten wird - entscheidend sind die Raumbeladung (Verhältnis von Fläche zu Volumen) mit emittierenden Spanplatten und der Luftwechsel und andere Quellen.

Der im Human-Biomonitoring häufig als Indikator für eine Formaldehyd-Belastung herangezogene Ameisensäuregehalt im Urin ist wenig aussagekräftig.

Grenz- und Orientierungswerte

Grenz-, Richt- und Orientierungswerte
Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) nach TRGS 900, 2015: 0,3 ppm (370 µg/m³)
(TRGS - Technische Regeln für Gefahrstoffe, sie geben den Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Arbeitshygiene für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen wieder. Sie werden vom Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) aufgestellt und den Entwicklungen entsprechend angepasst.)
BGA-Orientierungswert, 1977: 0,1 ppm (120 µg/m³)
(BGA - Bundesgesundheitsamt, mittlerweile aufgegangen u.a. in Bundesinstitut für Risikobewertung)
WHO-Richtwert, 30 Minuten, 2010: 0,083 ppm (100 µg/m³)
(WHO - World Health Organization - Weltgesundheitsorganisation)
WHO-Wert: < 0,05 ppm (60 µg/m³) - Konzentrationsbereich, der nicht zu Besorgnis Anlaß gibt
AGÖF-Orientierungswert, 2013: Formaldehydgehalte von 0,024 ppm (30 µg/m³) sollten in der Innenraumluft nicht überschritten werden.

Bewertung und Empfehlungen der AGÖF:


  • Grundsätzlich gilt das Minimierungsgebot für Formaldehyd in Innenräumen, insbesondere wegen der Reizwirkung und der 'schleichenden' Allergisierung.

  • Die Verwendung von formaldehydhaltigen Baumaterialien (Harnstoff-Formaldehyd-gebundene Spanplatten, Isolierschäume, Mineralwolle, SH-Lacke, ...) sollte vermieden werden.

  • Auch bei der Auswahl der Einrichtung sollte auf formaldehydarme Produkte geachtet werden.

  • Bei als formaldehydfrei bzw. feuchtraumgeeignet deklarierten Holzwerkstoffen ist wegen der anderen Bindemittel Vorsicht geboten (®Isocyanate).

  • Die Verminderung von Formaldehydemissionen aus Holzwerkstoffen ist mit Spezialfolien und formaldehydbindenden Anstrichen möglich.

© AGÖF / Verfasser: Axel Wichmann / Baubiologie und Umweltanalytik in Berlin /
E-Mail: sv.buero@baubio-umweltanalytik.de
Stand: Oktober 2015