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Formaldehyd ist ein farbloses, in hohen Konzentrationen stechend riechendes,
brennbares Gas. Seit dem Beginn der großtechnischen Produktion vor etwa 100
Jahren wird es hauptsächlich zur Produktion von Kunstharzen eingesetzt: früher
zur Herstellung von Bakelit, einem Phenol-Formaldehyd-Harz - heute werden 75 %
der jährlich in Deutschland produzierten 600 000 Tonnen zu Kunststoffen
verarbeitet.
Als Harnstoff-Formaldehyd-Harz wird es im Bindemittel von 90 % der Spanplatten
eingesetzt. Wegen seiner fungiziden, viruziden und bakteriziden Eigenschaften
wird es als Desinfektionsmittel und Konservierungsstoff in der Medizin und in
Kosmetika eingesetzt. Ebenso werden Harnstoff-Formaldehyd-Harze und
Melamin-Formaldehyd-Harze in Textilien zur Erhöhung der Knitterfestigkeit verwendet.
Quellen für die Belastung der Innenraumluft sind: Spanplatten und andere
Holzwerkstoffe wie OSB-und Tischlerplatten, Sperrholz und Fertigparkett, Isolierschäume,
Mineralwolle, Lacke, insbesondere säurehärtende Lacke, Farben und Kleber,
Textilien und Teppichböden. Beim Heizen und Kochen mit Holz und Gas entsteht
ebenso Formaldehyd wie beim Verbrennen von Tabak. In Haushalten, in denen geraucht
wird, stammt der überwiegende Teil des im Wohnbereich vorkommenden Formaldehyds aus
dem Tabakrauch.
Bei der Einschätzung der Formaldehydquellen muss berücksichtigt werden, dass das
Formaldehyd über die ganze Lebensdauer des emittierenden (Bau-) Produktes ständig
ausdünstet, und nicht, wie oft irrtümlich angenommen wird, nach einem bestimmten
Zeitraum "weggedünstet" ist.
Die Freisetzung von Formaldehyd aus den oben genannten Materialien kann zu
Augenreizungen, Reizungen der Atemwege, Kopfschmerzen, Minderung der
Konzentrationsfähigkeit, Gedächtnisstörungen, Übelkeit, Erkältungen,
Schlafstörungen, Allergien, Mattigkeitsgefühl, Depressionen führen.
Allergiker reagieren empfindlicher auf Formaldehyd als andere Menschen.
Die Formaldehydexposition kann zu allergischen Reaktionen an der Haut und den hautnahen
Schleimhäuten führen.
Formaldehyd wird von der EU ab 1.1.2016 als vermutlich beim Menschen krebserregend (Kategorie 1B)
und als Substanz die als erbgutverändernd angesehen werden kann (Kategorie 2) eingestuft.
Bei Unterschreitung des MAK-Wertes wird aber kein erhöhtes Krebsrisiko erwartet (WHO 2010).
Die Geruchsschwelle liegt bei 0,125 ppm (160 µg/m³),
geruchsempfindliche Menschenkönnen schon 0,05 ppm (60 µg/m³) Formaldehyd
wahrnehmen.
Mit Beeinträchtigungen des Wohlbefindens ist bei Konzentrationen ab 0,05
ppm zu rechnen. Die genannten massiveren gesundheitlichen Beeinträchtigungen
werden ab 0,2 ppm beobachtet.
Die Einhaltung der E 1 - Norm durch Spanplatten und Möbel aus Spanplatten
liefert nicht die Sicherheit, dass in der Raumluft die Konzentration von 0,1 ppm
nicht überschritten wird - entscheidend sind die Raumbeladung (Verhältnis von
Fläche zu Volumen) mit emittierenden Spanplatten und der Luftwechsel und andere
Quellen.
Der im Human-Biomonitoring häufig als Indikator für eine
Formaldehyd-Belastung herangezogene Ameisensäuregehalt im Urin ist wenig
aussagekräftig.
Grenz-, Richt- und Orientierungswerte |
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Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) nach TRGS 900, 2015: 0,3 ppm (370 µg/m³) (TRGS - Technische Regeln für Gefahrstoffe, sie geben den Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Arbeitshygiene für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen wieder. Sie werden vom Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) aufgestellt und den Entwicklungen entsprechend angepasst.) |
BGA-Orientierungswert, 1977: 0,1 ppm (120 µg/m³) (BGA - Bundesgesundheitsamt, mittlerweile aufgegangen u.a. in Bundesinstitut für Risikobewertung) |
WHO-Richtwert, 30 Minuten, 2010: 0,083 ppm (100 µg/m³) (WHO - World Health Organization - Weltgesundheitsorganisation) |
WHO-Wert: < 0,05 ppm (60 µg/m³) - Konzentrationsbereich, der nicht zu Besorgnis Anlaß gibt |
AGÖF-Orientierungswert, 2013: Formaldehydgehalte von 0,024 ppm (30 µg/m³) sollten in der Innenraumluft nicht überschritten werden. |
© AGÖF / Verfasser: Axel Wichmann / Baubiologie und Umweltanalytik in Berlin /
E-Mail:
sv.buero@baubio-umweltanalytik.de
Stand: Oktober 2015