In den letzten Jahren gerieten zunehmend zinnorganische Verbindungen,
insbesondere das Tributylzinn (TBT), in das Bewusstsein der Wissenschaft und
in die öffentliche Diskussion. So wurden Organozinnverbindungen inzwischen
in Sportkleidung, Babywindeln und Badeartikeln, Sportschuhen, PVC-Fußböden,
Kindergummistiefeln oder Barbiepuppen nachgewiesen.
Eine besondere Rolle als Quellen zinnorganischer Verbindungen in Innenräumen
spielen großflächig behandelte Einrichtungsgegenstände bzw. ausgelegte Produkte,
weshalb PVC-Fußböden eine besondere Relevanz zukommt. In PVC-Artikeln dienen
zinnorganischen Substanzen als Stabilisatoren und werden während des
Fertigungsprozesses zugegeben. Andere Quellen sind der direkte Eintrag durch
früher übliche, TBT-haltige Desinfektions- und Material- bzw. Holzschutzmittel.
Der Einsatz in diesem Bereich geht stark zurück, es ist jedoch in betroffenen
Gebäuden weiterhin mit einem diffusen, aber anhaltenden Eintrag der betreffenden
Substanzen zu rechnen.
In tierexperimentellen Kurz- und Langzeit-Untersuchungen sind verschiedene
Wirkungen von TBT-Verbindungen beschrieben worden. Diese betreffen die Leber,
das hämatologische und das endokrine System. Die Wirkungen auf das Immunsystem
werden derzeit als die sensitivsten Parameter der Toxizität bei der Ratte
angesehen. Für die als Stabilisator eingesetzten DBT-Verbindungen geht das BgVV
von einer ähnlichen immuntoxischen Wirkpotenz aus wie vor die als Biozide
eingesetzten TBT-Verdingungen1.
Während die Hersteller davon ausgehen, dass die als Stabilisatoren eingebauten
Organozinnverbindungen ausreichend fest in die Matrix des Kunststoffes eingebunden
sind, konnten in Hausstaubproben aus Wohnungen insbesondere für auf dem Fußboden
spielende Kleinkinder relevante Konzentrationen an Organozinnverbindungen
festgestellt werden.2.
Das Bundesamt für Risikobewertung hat in den Jahren 2000, 2003, 2008 und 2011 Stellungnahmen
zum Einsatz von Organozinnverbindungen herausgegeben. In der aktuellsten Stellungnahme Nr.034/2011
des BfR vom 2. August 2011 "Organozinnverbindungen in verbrauchernahen Produkten"
präsentiert das BfR einen Überblick über die Verwendung von Organozinnverbindungen,
über ihre toxischen Wirkungen, über Grenz- und Orientierungswerte sowie Beispiele aus
einer Expositionsschätzung. So dürfen z.B. nach der
EU-RICHTLINIE 2002/62/EG DER KOMMISSION vom 9. Juli 2002 "Dioctylzinnverbindungen nach dem 1. Januar 2012
nicht mehr in den nachstehend aufgeführten Erzeugnissen verwendet werden, die dazu bestimmt sind, an
die breite Öffentlichkeit abgegeben oder von dieser verwendet zu werden, wenn die Konzentration von Zinn
in dem Erzeugnis oder in Teilen davon 0,1 Gew.-% übersteigt: Textilartikel, die dazu bestimmt sind, mit
der Haut in Kontakt zu kommen, Handschuhe, Schuhe oder Teile davon, die dazu bestimmt sind, mit der Haut
in Kontakt zu kommen, Wand- und Bodenverkleidungen, Babyartikel, Damenhygieneartikel, Windeln und
Zwei-Komponenten-Raumtemperaturvulkanisierungs-Abform-Sets (RTV-2-Abform-Sets)".3
1BgVV (Bundesamt für Gesundheitlichen Verbraucherschutz
und Veterinärmedizin), Tributylzinn (TBT) und andere zinnorganische
Verbindungen in Lebensmitteln und verbrauchernahen Produkten
(Stellungnahme vom 6. März 2000).
2Thumulla. J u. W. Hagenau: Organozinnverbindungen in
PVC-Böden und Hausstaub, in: Umwelt, Gebäude & Gesundheit, Hrsg.
Arbeitsgemeinschaft ökologischer Forschungsinstitute (AGÖF),
Springe-Eldagsen 2001.
3Bundesamt für Risikoberwertung (BfR), Stellungnahmen zu Organozinnverbindungen,
http://www.bfr.bund.de/de/a-z_index/organozinnverbindungen-4733.html.
© AGÖF / Verfasser: Jörg Thumulla / AnBUS /
Internet: www.anbus.de,
Stand: Oktober 2015