• Arbeitsgemeinschaft ökologischer Forschungsinstitute - AGÖF

    Stellungnahme der AGÖF zur Richtlinie VDI 6202-3 - Asbest

    VDI-Richtlinie 6202-3 - Schadstoffbelastete bauliche und technische Anlagen, Asbest – Erkundung und Bewertung

  • Arbeitsgemeinschaft ökologischer Forschungsinstitute - AGÖF

    Veröffentlicht: endgültige Version des AGÖF-Leitfadens

    Hausstaubuntersuchungen auf chemische Parameter" (SVOC, Schwermetalle, POM)

AGÖF - das Innenraumkompetenzzentrum

Nikotin - Zigarettenrauch im Innenraum

Gesundheitliche Beschwerden durch Reiz-, Riech- und hautsensibilisierende Stoffe im Innenraum

Dieser Artikel wurde uns freundlicherweise von unserem Mitgliedsinstitut ARGUK-Umweltlabor in Oberursel zur Verfügung gestellt, Autoren: Wigbert Maraun und Sonja Pfeil, Stand September 2015


Eine Quelle der Luftverschmutzung in Innenräumen ist der Zigarettenrauch. Zigarettenrauch enthält eine Vielzahl von Substanzen, die als karzinogen (krebserregend) und mutagen (erbgutverändernd) identifiziert sind. Zu diesen Substanzen gehören aromatische Amine und Nitrosamine und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK). Außer diesen Stoffen werden auch Aldehyde, Ketone und das Alkaloid NiKotin freigesetzt. Epidemiologische Studien ergaben eine erhöhtes relatives Lungenkrebsrisiko auch bei Nichtrauchern, die Zigarettenrauch (ETS= Environmental Tobacco Smoke) ausgesetzt sind.

Bei Kindern wurde eine signifikante Erhöhung von Asthma oder erhöhte Empfindlichkeit der Atemwege festgestellt, wenn auch nur ein Elternteil Raucher ist. Bei Kleinkindern wird ein Zusammenhang zwischen ETS und einer erhöhten Rate beim "plötzlichen Kindstod" diskutiert.
Als Leitparameter für die Belastung des Innenraums mit Zigarettenrauch (ETS) kann Nikotin verwendet werden.


Strukturformel von Nikotin


Nikotin-Strukturformel



Stoffeigenschaften

Nikotin ist ein farbloses, mit Wasser mischbares Öl von tabakähnlichem Geruch. Es färbt sich an der Luft rasch braun. Nicotin gehört zu der Gruppe der Alkaloide (stickstoffhaltige Naturstoffe). Siedepunkt: 247°C bei 745 mm Hg.


Vorkommen im Hausstaub

Eine ARGUK-Studie* zum Vorkommen und der Verteilung von Nikotin in Hausstäuben erbrachte folgendes Ergebnis:

   Nikotin (mg/kg)
 Median (50. Perzentil) 2,7
 Mittelwert 32,3
 90-Perzentil 100
 Maximalwert 490

*Statistische Werte aus einer ARGUK-Studie über die Verteilung von Nikotin in Hausstaub-Proben der Monate November und Dezember 1999; n = 39;


Größenklassenverteilung der Nikotinkonzentrationen im Hausstaub

Größenklassenverteilung der Nikotinkonzentrationen im Hausstaub

Bestimmungsgrenze: 0,5 [mg/kg]

Ein Zusammenhang zwischen der Benzo[a]pyren-Konzentration und der Nikotin-Konzentration im Hausstaub konnte bei unseren Untersuchungen nicht gefunden werden. Laut der Literatur sind im Nebenstromrauch einer Zigarette ca. 4 mg Nikotin und 25 ng Benzo[a]pyren (BaP) enthalten. Da die Menge an BaP im Nebenstromrauch einer Zigarette relativ gering ist und es eine Vielzahl von Quellen für BaP im Innenraum gibt (Parkettkleber, Feuerstellen usw.) macht sich der Zigarettenrauch bei der BaP-Belastung nicht signifikant bemerkbar.


Toxikologie

Akute Toxizität von Nikotin bei Mäusen:
LD50 = 0,3 mg/kg i.v.; 230 mg/kg oral.
Beim Menschen wirken ca. 100 mg Nikotin oral aufgenommen tödlich.


Toxikologie / Epidemiologie Passivrauch

1998 stufte die MAK-Kommission das Passivrauchen als krebserzeugend ein. Die WHO schätzt, daß 9 - 13% aller Lungenkrebsfälle bei einer Nichtraucherpopulation, in der die Hälfte der Personen gegenüber Zigarettenrauch exponiert ist, dem Passivrauchen zugeordnet werden können.

Überträgt man diese Zahlen auf Europa, so sind jährlich 3.000 bis 4.500 Lungenkrebsfälle bei Erwachsenen und 300.000 bis 550.000 Fälle von Erkrankungen der unteren Atemwege bei Kleinkindern auf das Passivrauchen zurückzuführen. Entsprechende Abschätzungen für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ergeben, dass die Zahl der Todesfälle ca. 10mal so hoch ist wie die Zahl der Lungenkrebstodesfälle.


Regulation und Vorsorge

Eine sichere Immissionskonzentration kann nicht empfohlen werden, da Zigarettenrauch kanzerogen auf den Menschen wirkt und es keinen Hinweis auf einen sicheren unteren Schwellenwert gibt.Die Exposition von Kindern und anderen Nichtrauchern in Wohnungen ist drastisch zu reduzieren.

Da am Arbeitsplatz Nikotinkonzentration vergleichbar oder höher als in Raucherwohnungen gemessen wurden, ist ein relevanter, wenn nicht sogar der größte Teil der ETS-bedingten Lungenkrebserkrankungen dem Passivrauchen am Arbeitsplatz zuzuschreiben. Einschneidende Maßnahmen zur Eliminierung der Passivrauchexposition in öffentlich zugänglichen Innenräumen sind somit zu ergreifen.

Für die Belastung des Hausstaubes und ihre Bewertung existieren wenig Informationen und keinerlei amtliche Vorgaben.


Untersuchungsmöglichkeiten - Nikotin-Analyse im Innenraum von Nichtraucherwohnungen oder nach Mieterwechsel


Nikotin-Messung in der Raumluft als Leitkomponente für Zigarettenrauchgeruch

Welcher Nichtraucher kennt das nicht: Obwohl im Raum nicht geraucht wird, riecht es intensiv nach Zigarettenrauch - sei es durch rauchende Nachbarn oder die Vornutzung einer Wohnung durch Raucher. Im Rahmen unserer gutachterlichen Tätigkeit als Sachverständige im Bereich Innenraumschadstoffe erleben wir regelmäßig, dass nach Auszug von rauchenden Mietern und bereits umfangreich erfolgter Sanierungsmaßnahmen (Austausch der Tapeten, Bodenbeläge, komplettes Mobiliar und haushaltsüblicher Grundreinigung) noch immer deutlich wahrnehmbare und analytisch in erhöhter Konzentration nachweisbare Rückstände an Zigarettengeruchsstoffen vorhanden sind, die von den nichtrauchenden Nachmietern nicht hingenommen werden können.

Ist der Fall eingetreten, dass die Raucherwohnung nach bereits durchgeführten Sanierungsmaßnahmen zur Umnutzung für Nichtraucher freigegeben werden soll, aber noch massiver Geruch nach Zigarettenrauch bemängelt wird, stellt sich vor allem die Frage, wie weit eine Sanierung im finanziell noch tragbaren Rahmen durchgeführt werden muss, damit die Gesundheit der nichtrauchenden Nachbewohner nicht beeinträchtigt wird.


Wer trägt die Kosten der Sanierung einer Raucherwohnung?

Die Verursacher für das durch die unsachgemäße Nutzung der Wohnung durch übermässigen Zigarettenkonsum verbunden mit unzureichendem Lüften sind üblicherweise für die Kosten der Sanierung heranzuziehen. Der übermässige Konsum zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass der Geruch nach Zigarettenrauch mit den üblichen Renovierungsmaßnahmen nicht zu beseitigen ist. Im Falle eines Rechtsstreits kann dieser Tatbestand mit Hilfe einer Raumluftuntersuchung auf Nikotinrückstände festgehalten werden. Rückwirkend lässt sich nach erfolgereich durchgeführter Sanierung leider keine Aussage dazu mehr treffen.


Nichtraucherschutz: ARGUK etabliert ersten hygienischen Leitwert für die Geruchsbelastung durch Zigarettenrauch in Nichtraucherwohnungen

Zur Feststellung einer erhöhten Belastung mit Zigarettenrauch kann der von der ARGUK-Umweltlabor GmbH vorgeschlagene hygienische Leitwert für Nikotin in der Raumluft herangezogen werden und Hilfestellung in der Kommunikation Mieter - Vermieter bieten.

Für die Bewertung wird als Parameter Nikotin in der Raumluft als Leitkomponente für die Anwesenheit von Zigarettenrauch herangezogen. Der Anteil an Nikotin im Zigarettenrauch beträgt bis zu 90 % Nikotin (ohne Berücksichtigung von Kohlenmonoxid und anderen leichtflüchtigen Bestandteilen). Nikotin selbst als Reinsubstanz ist weitgehend geruchslos, ein Geruchsschwellenwert liegt deshalb nach unserem derzeitigen Kenntnisstand nicht vor. Es ist anzunehmen, dass der typische Geruch durch die vielen weiteren Bestandteile des Zigarettenrauchs bedingt ist. Eine vollständige messtechnische Erfassung ist aufgrund der großen Anzahl dieser Verbindungen in geringer Konzentration praktisch jedoch nicht durchzuführen.

Aufgrund des fehlenden Geruchsschwellenwerts für Nikotin wird zur Beurteilung von Nikotin in der Raumluft neben dem Ergebnis der chemischen Bestimmung vor allem auch der sensorische Eindruck vor Ort mit berücksichtigt.


Nikotin-Konzentration in der Raumluft

Für die Bewertung von Nikotin-Konzentrationen in der Raumluft existieren bisher keine gesetzlichen Grenz- oder Richtwerte. Literaturangaben zufolge schwanken Gehalte an Nikotin in der Raumluft bei Anwesenheit von Rauchern z.B. zwischen 150 µg/m³ und 490 µg/m³ und in Nichtraucherlokalitäten wie Schulen oder Krankenhäusern zwischen sehr geringen Mengen und noch immer bis zu 45 µg/m³, im Wartezimmer einer Arztpraxis werden 0,08 µg/m³ bis 0,22 µg/m³ ermittelt. Die Studie ergibt, dass sich die Konzentration an Nikotin in der Raumluft bereits messbar erhöht, sobald ein Raucher den Raum betritt, auch wenn dieser gerade nicht mehr raucht.

(Moshammer et al; Nicotine and surface of particulate as indicators of exposure to environmental tobacco smoke in public places in Austria, Int. J. Hyg. Environ. Health 206 (2004); 1-7)

Eine sensorische Beeinträchtigung kann nach unserer Erfahrung bei geruchssensiblen Personen bereits bei einem Gehalt im Bereich von weniger als 0,1 µg/m³ der Leitkomponente Nikotin als Wahrnehmungs- oder auch Erkennungsschwelle für (alten) Zigarettenrauch vorliegen.

Auf Grundlage einer toxikologischen Abschätzung für eine 60 kg schwere Person leitet sich unser hygienischer Leitwert für die Raumluftkonzentration an Nikotin für Erwachsene zu 0,3 µg/m³ ab. Bei Raumluftbelastungen oberhalb dieser Schwelle ist eine sensorisch-analytische Beurteilung als Einzelfallprüfung erforderlich.


ARGUK-Leitwerte für die Beurteilung von Zigarettengeruch in Raumluft mittels der Leitkomponente Nikotin:


0,1 µg/m³ Nikotin: Wahrnehmungs- oder auch Erkennungsschwelle

0,3 µg/m³ Nikotin: hygienischer Leitwert für Erwachsene

0,1 µg/m³ Nikotin: hygienischer Leitwert für Kinder
 

© AGÖF / Verfasser: Wigbert Maraun, Sonja Pfeil / ARGUK / Internet: www.arguk-umweltlabor.de
Stand: Oktober 2015