Dieser Artikel wurde uns freundlicherweise von unserem Mitgliedsinstitut ARGUK-Umweltlabor in Oberursel zur Verfügung gestellt, Autoren: Wigbert Maraun und Sonja Pfeil, Stand September 2015
Eine Quelle der Luftverschmutzung in Innenräumen ist der Zigarettenrauch.
Zigarettenrauch enthält eine Vielzahl von Substanzen, die als karzinogen (krebserregend)
und mutagen (erbgutverändernd) identifiziert sind. Zu diesen Substanzen gehören
aromatische Amine und Nitrosamine und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe
(PAK). Außer diesen Stoffen werden auch Aldehyde, Ketone und das Alkaloid NiKotin
freigesetzt. Epidemiologische Studien ergaben eine erhöhtes relatives Lungenkrebsrisiko auch
bei Nichtrauchern, die Zigarettenrauch (ETS= Environmental Tobacco Smoke)
ausgesetzt sind.
Bei Kindern wurde eine signifikante Erhöhung von Asthma oder
erhöhte Empfindlichkeit der Atemwege festgestellt, wenn auch nur ein Elternteil
Raucher ist. Bei Kleinkindern wird ein Zusammenhang zwischen ETS und einer
erhöhten Rate beim "plötzlichen Kindstod" diskutiert.
Als Leitparameter für die Belastung des Innenraums mit Zigarettenrauch (ETS)
kann Nikotin verwendet werden.
Nikotin ist ein farbloses, mit Wasser mischbares Öl von tabakähnlichem Geruch. Es färbt sich an der Luft rasch braun. Nicotin gehört zu der Gruppe der Alkaloide (stickstoffhaltige Naturstoffe). Siedepunkt: 247°C bei 745 mm Hg.
Eine ARGUK-Studie* zum Vorkommen und der Verteilung von Nikotin in Hausstäuben
erbrachte folgendes Ergebnis:
Nikotin (mg/kg) | |
Median (50. Perzentil) | 2,7 |
Mittelwert | 32,3 |
90-Perzentil | 100 |
Maximalwert | 490 |
*Statistische Werte aus einer ARGUK-Studie über die Verteilung von Nikotin in
Hausstaub-Proben der Monate November und Dezember 1999; n = 39;
Bestimmungsgrenze: 0,5 [mg/kg]
Ein Zusammenhang zwischen der Benzo[a]pyren-Konzentration und der Nikotin-Konzentration im Hausstaub konnte bei unseren Untersuchungen nicht gefunden werden. Laut der Literatur sind im Nebenstromrauch einer Zigarette ca. 4 mg Nikotin und 25 ng Benzo[a]pyren (BaP) enthalten. Da die Menge an BaP im Nebenstromrauch einer Zigarette relativ gering ist und es eine Vielzahl von Quellen für BaP im Innenraum gibt (Parkettkleber, Feuerstellen usw.) macht sich der Zigarettenrauch bei der BaP-Belastung nicht signifikant bemerkbar.
Akute Toxizität von Nikotin bei Mäusen:
LD50 = 0,3 mg/kg i.v.; 230 mg/kg oral.
Beim Menschen wirken ca. 100 mg Nikotin oral aufgenommen tödlich.
1998 stufte die MAK-Kommission das Passivrauchen als krebserzeugend ein.
Die WHO schätzt, daß 9 - 13% aller Lungenkrebsfälle bei einer
Nichtraucherpopulation, in der die Hälfte der Personen gegenüber Zigarettenrauch
exponiert ist, dem Passivrauchen zugeordnet werden können.
Überträgt man diese Zahlen auf Europa, so sind jährlich 3.000 bis 4.500 Lungenkrebsfälle bei
Erwachsenen und 300.000 bis 550.000 Fälle von Erkrankungen der unteren Atemwege
bei Kleinkindern auf das Passivrauchen zurückzuführen. Entsprechende Abschätzungen für
Herz-Kreislauf-Erkrankungen ergeben, dass die
Zahl der Todesfälle ca. 10mal so hoch ist wie die Zahl der Lungenkrebstodesfälle.
Eine sichere Immissionskonzentration kann nicht empfohlen werden, da
Zigarettenrauch kanzerogen auf den Menschen wirkt und es keinen Hinweis auf
einen sicheren unteren Schwellenwert gibt.Die Exposition von Kindern und anderen Nichtrauchern in Wohnungen ist
drastisch zu reduzieren.
Da am Arbeitsplatz Nikotinkonzentration vergleichbar oder höher als in
Raucherwohnungen gemessen wurden, ist ein relevanter, wenn nicht sogar der
größte Teil der ETS-bedingten Lungenkrebserkrankungen dem Passivrauchen am
Arbeitsplatz zuzuschreiben. Einschneidende Maßnahmen zur Eliminierung der Passivrauchexposition in öffentlich
zugänglichen Innenräumen sind somit zu ergreifen.
Für die Belastung des Hausstaubes und ihre Bewertung existieren wenig
Informationen und keinerlei amtliche Vorgaben.
Welcher Nichtraucher kennt das nicht: Obwohl im Raum nicht geraucht wird, riecht es intensiv nach
Zigarettenrauch - sei es durch rauchende Nachbarn oder die Vornutzung einer Wohnung durch Raucher.
Im Rahmen unserer gutachterlichen Tätigkeit als Sachverständige im Bereich Innenraumschadstoffe
erleben wir regelmäßig, dass nach Auszug von rauchenden Mietern und bereits umfangreich erfolgter
Sanierungsmaßnahmen (Austausch der Tapeten, Bodenbeläge, komplettes Mobiliar und haushaltsüblicher
Grundreinigung) noch immer deutlich wahrnehmbare und analytisch in erhöhter Konzentration nachweisbare
Rückstände an Zigarettengeruchsstoffen vorhanden sind, die von den nichtrauchenden Nachmietern nicht
hingenommen werden können.
Ist der Fall eingetreten, dass die Raucherwohnung nach bereits durchgeführten Sanierungsmaßnahmen
zur Umnutzung für Nichtraucher freigegeben werden soll, aber noch massiver Geruch nach
Zigarettenrauch bemängelt wird, stellt sich vor allem die Frage, wie weit eine Sanierung im
finanziell noch tragbaren Rahmen durchgeführt werden muss, damit die Gesundheit der
nichtrauchenden Nachbewohner nicht beeinträchtigt wird.
Die Verursacher für das durch die unsachgemäße Nutzung der Wohnung durch übermässigen Zigarettenkonsum verbunden mit unzureichendem Lüften sind üblicherweise für die Kosten der Sanierung heranzuziehen. Der übermässige Konsum zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass der Geruch nach Zigarettenrauch mit den üblichen Renovierungsmaßnahmen nicht zu beseitigen ist. Im Falle eines Rechtsstreits kann dieser Tatbestand mit Hilfe einer Raumluftuntersuchung auf Nikotinrückstände festgehalten werden. Rückwirkend lässt sich nach erfolgereich durchgeführter Sanierung leider keine Aussage dazu mehr treffen.
Zur Feststellung einer erhöhten Belastung mit Zigarettenrauch kann der von der
ARGUK-Umweltlabor GmbH vorgeschlagene hygienische Leitwert für Nikotin in der Raumluft
herangezogen werden und Hilfestellung in der Kommunikation Mieter - Vermieter bieten.
Für die Bewertung wird als Parameter Nikotin in der Raumluft als Leitkomponente für die
Anwesenheit von Zigarettenrauch herangezogen. Der Anteil an Nikotin im Zigarettenrauch beträgt
bis zu 90 % Nikotin (ohne Berücksichtigung von Kohlenmonoxid und anderen leichtflüchtigen Bestandteilen).
Nikotin selbst als Reinsubstanz ist weitgehend geruchslos, ein Geruchsschwellenwert liegt deshalb nach
unserem derzeitigen Kenntnisstand nicht vor. Es ist anzunehmen, dass der typische Geruch durch die vielen
weiteren Bestandteile des Zigarettenrauchs bedingt ist. Eine vollständige messtechnische Erfassung ist
aufgrund der großen Anzahl dieser Verbindungen in geringer Konzentration praktisch jedoch nicht durchzuführen.
Aufgrund des fehlenden Geruchsschwellenwerts für Nikotin wird zur Beurteilung von Nikotin in der Raumluft neben
dem Ergebnis der chemischen Bestimmung vor allem auch der sensorische Eindruck vor Ort mit berücksichtigt.
Für die Bewertung von Nikotin-Konzentrationen in der Raumluft existieren bisher keine gesetzlichen Grenz-
oder Richtwerte. Literaturangaben zufolge schwanken Gehalte an Nikotin in der Raumluft bei Anwesenheit von
Rauchern z.B. zwischen 150 µg/m³ und 490 µg/m³ und in Nichtraucherlokalitäten wie Schulen oder Krankenhäusern
zwischen sehr geringen Mengen und noch immer bis zu 45 µg/m³, im Wartezimmer einer Arztpraxis werden 0,08 µg/m³
bis 0,22 µg/m³ ermittelt. Die Studie ergibt, dass sich die Konzentration an Nikotin in der Raumluft
bereits messbar erhöht, sobald ein Raucher den Raum betritt, auch wenn dieser gerade nicht mehr raucht.
(Moshammer et al; Nicotine and surface of particulate as indicators of exposure to environmental tobacco smoke
in public places in Austria, Int. J. Hyg. Environ. Health 206 (2004); 1-7)
Eine sensorische Beeinträchtigung kann nach unserer Erfahrung bei geruchssensiblen Personen bereits bei
einem Gehalt im Bereich von weniger als 0,1 µg/m³ der Leitkomponente Nikotin als Wahrnehmungs- oder auch
Erkennungsschwelle für (alten) Zigarettenrauch vorliegen.
Auf Grundlage einer toxikologischen Abschätzung für eine 60 kg schwere Person leitet sich
unser hygienischer Leitwert für die Raumluftkonzentration an Nikotin für Erwachsene zu
0,3 µg/m³ ab. Bei Raumluftbelastungen oberhalb dieser Schwelle ist eine
sensorisch-analytische Beurteilung als Einzelfallprüfung erforderlich.
0,1 µg/m³ Nikotin: Wahrnehmungs- oder auch Erkennungsschwelle 0,3 µg/m³ Nikotin: hygienischer Leitwert für Erwachsene 0,1 µg/m³ Nikotin: hygienischer Leitwert für Kinder |
© AGÖF / Verfasser: Wigbert Maraun, Sonja Pfeil / ARGUK /
Internet: www.arguk-umweltlabor.de
Stand:
Oktober 2015