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Dieser Artikel mit Foto wurde uns freundlicherweise von unserem Mitgliedsinstitut ALAB GmbH - Analyselabor in Berlin zur Verfügung gestellt, er wurde im Oktober 1999 veröffentlicht.
Drei Jahre nach dem Umbau eines früher u.a. von einer Kosmetikfirma genutzten Altbaukomplexes roch es in den teils als Büros genutzten Räumen immer stärker nach Mottenkugeln. Als Ursache konnte nach entsprechenden Untersuchungen eine mit Flüssigteer vergossene Teerpappe in den Zwischendecken identifiziert werden. Während der aufwendigen Sanierung war der gesamte Komplex nur eingeschränkt nutzbar, etliche Firmen kündigten und suchten sich andere Räume.
Drei Jahre nach Abschluß der Umbau- und Sanierungsmaßnahmen in einem Gebäudekomplex des Gründerinnenzentrums der WeiberWirtschaft e.G., in dem bis 1990 Chemieprodukte produziert wurden, treten intensive Geruchsbelästigungen auf. Im Juni 1998 wurde die ALAB GmbH beauftragt, in den etwa 40 betroffenen Räumen Raumluftmessungen durchzuführen. Das Ergebnis waren zum Teil erhebliche Konzentrationen an Naphthalin. Neben diesem intensiv (nach Mottenkugeln) riechenden Stoff wurden in der Luft aromatische Kohlenwasserstoffe, Alkan-Kohlenwasserstoffe, Terpene, Glykolverbindungen, Ketone und Alkohole quantitativ bestimmt. Die meisten der neben Naphthalin ermittelten Substanzen mit erhöhten Konzentrationen konnten durch die aktuelle Nutzung der Räume erklärt werden. Als Komponenten der auftretenden Geruchsbelastungen blieben die Substanzen Naphthalin, Ethylhexanol, Heptanon und Butanol, deren Quelle zu ergründen war.
Das Gründerinnenzentrum der WeiberWirtschaft e.G. befindet sich in einem
vier- und fünfgeschossigen Gebäudekomplex in Berlin - Mitte. Im Vorderhaus und
im Seitenflügel befanden sich immer, soweit nachvollziehbar, die Verwaltungsräume;
die Produktionsstätten und Lagerräume waren in Räumen um den 2. Hof untergebracht,
weitere Lagerräume und eine Werkstatt befanden sich in angrenzenden
eingeschossigen Nebengebäuden.
Die von den Naphthalinemissionen betroffenen Gebäude im Hofbereich wurden um
1900 errichtet und wurden bis 1990 für die Produktion von Chemieprodukten
genutzt. Nach 1945 befand sich wahrscheinlich ein Lager der Roten Armee in
den Gebäuden. Ab 1949 produzierte hier der VEB Berlin Chemie, später bis
1990 der VEB Berlin Kosmetik.
1992 wurde die WeiberWirtschaft e.G. Eigentümerin durch Kauf von der Treuhand.
Für die Freistellung durch das Land Berlin wurden die Keller, der Boden im
Außenbereich und auch das Grundwasser (ein Beobachtungsbrunnen wurde gebohrt)
untersucht und die ermittelten Altlasten saniert. Untersuchungen der
Bausubstanz auf Schadstoffe wurden nicht vorgenommen.
Die Hofgebäude wurden von 1993 - 1996 umgebaut und saniert. In den ehemaligen
Produktionsräumen wurden die Fliesen und in den meisten Bereichen ein Teil
des Estrichs entfernt. Es wurde auf eine Polyethylenfolie ein neuer Estrich
gegossen; die meisten Räume wurden von den Mieterinnen mit Teppichboden oder
Linoleum ausgelegt (verklebt).
Der Verdacht, daß die in der Luft ermittelten Schadstoffe aus der Bausubstanz,
vor allem den Fußböden ausgasen, wurde durch eine Bohrung bis in die
tragenden Teile der Zwischendecke und die schichtenweise Untersuchung schnell
bestätigt. Der Bodenaufbau (von oben nach unten): Estrich - PE-Folie - Estrich -
Teerpappe - Zwischenschicht - Stoltediele ist typisch für die Bereiche, in
denen Naphthalin in der Luft nachweisbar ist. Die Untersuchungen ergaben in
der Teerpappe hohe Gehalte an Polycyclischen Aromatischen Kohlenwasserstoffen
mit einem Anteil von etwa 320 mg/kg Naphthalin.
In den betroffenen Etagen 1 - 4 in den Hofgebäuden wird je 30 m²
ein Bohrkern aus dem Boden entnommen. Die Böden der Parterre-Räume wurden
nicht untersucht, weil sie im Rahmen der Sanierung neu eingezogen worden waren
oder keine Hinweise auf eine Schadstoffbelastung aus den Luftuntersuchungen
vorlagen. Im Dachbereich wurde eine Bohrung vorgenommen - hier befindet sich
keine Teerpappe im Estrich und die Luftmessungen ergaben nur geringste
Naphthalinkonzentrationen. Die einzelnen Horizonte der Böden (Estrich
oberhalb der Polyethylenfolie, Estrich zwischen PE-Folie und Teerpappe) wurden
getrennt untersucht. In jedem Raum wurde eine Probe aus der Wand entnommen
(Mischprobe aus drei Einzelproben), um auch diese mögliche Quelle für die
Luftbelastung zu erfassen.
Nach Überprüfung mehrerer Varianten, die von der Kaschierung der Emissionen
mit Folien über eine Überschichtung des Estrichs mit Aktivkohle bis zur
weitgehenden Entfernung der kontaminierten Böden/Decken reichte, wurde
beschlossen, den Estrich mit der Teerpappe und den Bereich darunter bis zur
tragenden Schicht (meist den Stoltedielen) zu entfernen. Von dieser
Totalsanierung sind direkt etwa 2400 m² betroffen. Während der Sanierung wird
allerdings der gesamte Hofbereich nur eingeschränkt nutzbar sein.
Die Mieterinnen konnten zum Teil in Räume in anderen, nicht kontaminierten
Bereichen des Gewerbehofs umziehen, etliche Firmen sind ganz ausgezogen.
Die Sanierungskosten betragen mehrere Millionen Mark, von denen nach
langwierigen Verhandlungen der Berliner Senat den größten Teil übernehmen wird.
Die Sanierung von Altbauten, insbesondere der Umbau von ehemaligen
Produktionsstätten, ist mit einem erhöhten Risiko durch Altlasten in der
Bausubstanz verbunden. Vor allem wenn die Räume anschließend als Büros oder
Wohnungen genutzt werden sollen, können nicht erkannte Schadstoffe zu einem
kostspieligen Problem werden.
Wie das Fallbeispiel zeigt, hätte eine Bohrung an der richtigen Stelle vor/oder
während der Sanierung den Boden-/Deckenaufbau geklärt und auf das
Schadstoffproblem aufmerksam gemacht. Dann wäre zwar eine umfangreichere
Sanierung nötig gewesen, aber insgesamt wären die Kosten deutlich geringer
geworden. In der Praxis ist es allerdings in den meisten Fällen nötig, mit
einer rasterartigen Verteilung der Probenahmepunkte die kontaminierten
Bereich auf einer Verdachtsfläche zu finden.
Bei jedem Verdacht auf Schadstoffe in der Bausubstanz, die durch die
Vornutzung deponiert sein können oder wenn während der Bauarbeiten Gerüche
auftreten, sollten Experten für Innenraum-Schadstoffe hinzugezogen werden und
durch geeignete Schadstoffmessungen in der Luft und/oder in Materialproben
die Art und die Quelle der Schadstoffe ermittelt werden.
© AGÖF / Verfasser: ALAB GmbH - Analyselabor in Berlin / Internet:
www.alab-berlin.de
Stand: Oktober 1999