• Arbeitsgemeinschaft ökologischer Forschungsinstitute - AGÖF

    Stellungnahme der AGÖF zur Richtlinie VDI 6202-3 - Asbest

    VDI-Richtlinie 6202-3 - Schadstoffbelastete bauliche und technische Anlagen, Asbest – Erkundung und Bewertung

  • Arbeitsgemeinschaft ökologischer Forschungsinstitute - AGÖF

    Veröffentlicht: endgültige Version des AGÖF-Leitfadens

    Hausstaubuntersuchungen auf chemische Parameter" (SVOC, Schwermetalle, POM)

AGÖF - das Innenraumkompetenzzentrum

Leicht bis mittelflüchtige vorwiegend unpolare organische Verbindungen

Luftanalytik: die Analyse von auf Aktivkohle-Sammelröhrchen gezogenen Luftproben wird in Anlehnung an die VDI-Richtlinie 3482 Blatt 5 bzw. VDI 4300 Blatt 6 ausgeführt. In Stichworten: Zugabe von internen Standards zu der beladenen Aktivkohle, Desorption der nachzuweisenden Substanzen mit Schwefelkohlenstoff, analytischer Nachweis mit Hilfe eines mit einem Massenspektrometer gekoppelten Gaschromatogra-phen (GC/MS). Die Bestimmungsgrenze beträgt bei 100 Liter Sammelvolumen 1 bis 5 µg/m³ pro Substanz.

Materialanalytik: Materialproben werden zur Untersuchung auf VOC in einem kleinen Prüfraum bei 60 °C 2 Stunden lang im Gasstrom extrahiert. Der beladene Extraktionsgasstrom wird über ein Aktivkohle-Sammelröhrchen geleitet. Der weitere Analysengang entspricht der Luftanalytik.

Die Atemluft ist mittlerweile fast überall mehr oder weniger stark mit Lösemitteln belastet. Man spricht daher von einer "Grundbelastung der Atemluft", die einerseits durch Auto- und Industrieabgase sowie andererseits durch im Bau-, Ausstattungs-, Reinigungs- oder Hobbybereich verwendete Materialien hervorgerufen wird.

Lösemittel begleiten uns auf Schritt und Tritt: sie sind in der Atemluft allgegenwärtig und in unzähligen Produkten des täglichen Gebrauchs enthalten. An vielen Arbeitsplätzen müssen die dort Beschäftigten hohe Konzentrationen gesundheitsschädlicher Lösemittel ertragen. Kraftstoffe bestehen z. B. fast ausschließlich aus Chemikalien, die auch als Lösemittel verwendet werden. Weil viele Lösemittel aber nur in hohen Konzentrationen, etwa an Tankstellen oder unmittelbar nach Malerarbeiten, an ihrem Geruch zu erkennen sind, wissen wir oft gar nicht, daß wir mit ihnen zu tun haben. Schon wenige Tage nach Beendigung der Malerarbeiten kann der typische Lösemittelgeruch verschwunden sein. Das ist aber noch längst kein Beleg für saubere Luft. Mit Hilfe von Analysen lassen sich oft noch Monate nach Renovierungsmaßnahmen erhöhte Lösemittelkonzentrationen in der Raumluft nachweisen. Lösemittel werden auch in Nahrungsmitteln, vor allen Dingen den fetthaltigen, immer wieder gefunden. Lösemittelverseuchte Lebensmittel, wie perchlorethylenbelastete Butter in der Nähe von chemischen Reinigungen, lassen sich am Geschmack nicht erkennen.

Lösemittel sind aus ganz unterschiedlichen Gründen ins Gerede gekommen. Einmal aus Gründen des Umweltschutzes - jährlich werden schätzungsweise 350.000 Tonnen Lösemittel freigesetzt. Deren Abbauprodukte tragen, einmal in die Umwelt gelangt, zur Bildung von Stickoxiden und damit zur Entstehung des "Sommersmogs" bei. Außerdem schädigen einige Lösemittel die Ozonschicht. Vor allem aber sind die Lösemittel für HeimwerkerInnen gefährlich, denn für sie gibt es - anders als in industriellen Lackieranlagen - kaum einen wirksamen Schutz vor den Lösemitteldämpfen aus Farben, Lacken, Teppichklebern und Pinselreinigern. Und gerade im Handwerker- und Hobbybereich werden immer noch oft Lacksysteme mit hohem Lösemittelanteil verwendet. Ein normaler Kunstharzlack kann 50% Lösemittel enthalten, die sogenannten Nitrolacke sogar bis zu 70%. Man muß sich klarmachen: Ein Liter eines konventionellen Kunstharzlackes kann einen halben Liter Lösemittel enthalten. Dieser halbe Liter Lösemittel verdunstet während des Verstreichens und beim Trocknen des Lackes vollständig. Einen Teil davon atmen wir ein, wenn wir uns in einem Raum aufhalten, in dem ein lösemittelhaltiger Lack frisch verstrichen wurde. In der Tabelle auf Seite 28 finden Sie den einzelnen von uns nachgewiesenen VOC den wichtigsten bekannten Quellen zugeordnet.

Jeder, der in einem geschlossenen Raum einmal großere Flächen mit einem lösemittelhaltigen Lack gestrichen hat, wird in irgendeiner Weise eine Wirkung der Lösemitteldämpfe gespürt haben. Kopfschmerzen, Schleimhautreizungen, Benommenheit oder das Auftreten von Allergien sind die typischen Folgen, wenn Lösemitteldämpfe ein-geatmet werden. Im Extremfall kann Bewußtlosigkeit auftreten, selbst Todesfälle gibt es immer wieder. Dauerhafte Schäden können am zentralen Nervensystem und an inneren Organen auftreten. In der Öffentlichkeit bekannt wurden die als "Malerkrankheit" bezeichneten Hirnschädigungen, die in Dänemark bis 1983 bei mehr als 700 Frauen und Männern als - durch Lösemittel verursachte - Berufskrankheit anerkannt wurden.

Unterschiede im Sortiment

Die beschriebenen allgemeinen Giftwirkungen sind grundsätzlich allen Lösemitteln eigen. Doch gibt es durchaus Unterschiede in der Giftigkeit der einzelnen Stoffe. Vor allem dann, wenn keine ungiftigen lösemittelfreien Produkte zur Auswahl stehen, kann die Zusammensetzung des Lösemittels ein wichtiger Prüfstein sein. Im Folgenden soll daher auf einige Lösemittelgruppen hinsichtlich ihrer Giftigkeit und teilweise auch ihrer Einsatzgebiete näher eingegangen werden.

Aromatische Lösemittel

Aromaten wie Toluol, Ethylbenzol oder Xylole werden hauptsächlich in Nitro- und Kunstharzlacken als Verdünner eingesetzt. Auch bestimmte Dispersionskleber für Bodenbeläge können aromatische Lösemittel enthalten. Sie werden über die Atemwege und den Magen-Darmtrakt aufgenommen. Auch über die Haut können - vor allem beim direkten Umgang mit Lacken und Lösemitteln - erhebliche Mengen absorbiert werden. Auf keinen Fall sollte man sich Lack- oder Kleberreste mit Lösemitteln von der Haut abwaschen! Toluoldämpfe schädigen das Nervensystem, was sich an Symptomen wie Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwächegefühl, Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen zeigen kann. Xylole wirken ähnlich und können darüber hinaus Blutbildveränderungen, eine Tendenz zu Früh- und Fehlgeburten sowie Sterilität bewirken. Benzol darf übrigens als Lösemittel nicht mehr verwendet werden, da es sich als krebserzeugend erwiesen hat. Als Verunreinigung kann es aber in Lösemitteln enthalten sein. Aromatische Lösemittel, vor allem Toluol, sind aufgrund ihrer vielfältigen Anwendung in fast jeder Raumluft nachweisbar.

Aliphatische Lösemittel

Dies ist die Bezeichnung für eine Gruppe von chemisch recht stabilen Chemikalien, die neben den aromatischen Lösemitteln sehr häufig als Lackverdünner eingesetzt werden. Hexan, Oktan, Dekan, Dodekan sind die Namen einiger Einzelstoffe aus dieser Chemikalienfamilie. Petrolether, Siedegrenzenbenzin und Testbenzin sind Sammelbezeichnungen für Gemische dieser Substanzen mit unterschiedlichen Siedepunkten. Bis zu 0,1% des krebserzeugenden Benzols dürfen diese Gemenge nach der Gefahrstoff-Verordnung als Verunreinigung enthalten. Testbenzin enthält außer aliphatischen Lösemitteln bis zu 10% Xylol und 1% Toluol. Aliphatische Lösemittel reizen die Schleimhäute, können zu Erbrechen führen und Lungenentzündung hervorrufen. In der Raumluft sind sie, meist in etwas geringeren Konzentrationen als die aromatischen Lösemittel, häufig nachweisbar.

Iso-Aliphaten (Iso-Paraffine, iso-Alkane)

Die isoaliphatischen Lösemittel, auch Isoparaffine genannt, gehören zu den aliphatischen Lösemitteln. Im Unterschied zu den geradkettig aufgebauten n-Alkanen weisen sie in ihrer Molekülkette Verzweigungen auf. Man nennt diese verzweigten Verbindungen isomere Aliphaten oder kurz Iso-Aliphaten. Daß sie hier gesondert aufgeführt sind, hat einen Grund: Iso-Aliphaten werden von einigen Naturharzlack-Herstellern anstelle von Terpenkohlenwasserstoffen als Lösemittel verwendet. Als Begründung wird von den Herstellern ein gegenüber den Terpenen geringeres allergenes Potential und die angebliche Ungiftigkeit der Iso-Aliphaten genannt. Zumindest die Behauptung, Iso-Aliphaten seien ungiftig, hält einer kritischen Betrachtung nicht stand. Die Dämpfe der Iso-Aliphaten verursachen Reizungen der Augen und Atemwege, Kopfschmerzen, Schwindel und Störungen des Zentralnervensystems. Geringste Mengen, die bei Verschlucken oder nachfolgendem Erbrechen in die Lunge gelangen, können zu Lungenödem oder zu einer Lungenentzündung führen. Iso-Aliphaten sind Substanzgemische, deren genaue Zusammensetzung offenbar nicht einmal den Herstellern bekannt ist. So antwortete die Firma EXXON CHEMIKAL GmbH auf die Frage nach der Zusammensetzung ihres Iso-Aliphaten-Gemisches "Isopar" lediglich mit der Auflistung der Kohlenstoffzahl der enthaltenen Verbindungen.

Charakteristisch für die Iso-Aliphaten ist aber die große Variationsbreite der in den Gemischen vorkommenden Verbindungen mit gleicher Kohlenstoffzahl, da einer einzigen Summenformel eine Vielzahl von Isomeren mit unterschiedlichen chemischen, physikalischen und auch toxikologischen Eigenschaften zuzuordnen ist. So gibt es für die aliphatische Verbindung "Dekan" mit 10 Kohlenstoffatomen 75 Isomere. Für die aliphatische Verbindung "Eicosan" mit 20 Kohlenstoffatomen gibt es bereits über 300.000 Isomere! Ein Vielstoffgemisch, wie es Iso-Aliphaten bilden, pauschal als "ungiftig" zu bezeichnen, ist schon aus diesem Grund nicht haltbar. Die Dämpfe der Iso-Aliphaten sind zudem gerucharm bis geruchlos, so daß die bei herkömmlichen Lösemitteln oder auch Terpengemischen gegebene Warnwirkung entfällt. Hinzu kommt, daß zur Herstellung von Iso-Aliphaten zahlreiche Prozessschritte mit Verbrauch von u.a. Erdöl und Energie sowie Anfall von giftigen Abfällen nötig sind.

Chlorierte Lösemittel

Chlorierte Lösemittel werden unter anderem in chemischen Textilreinigungen (Perchlorethylen), zum Abbeizen (Dichlormethan) und als Lösemittel in Korrekturflüssigkeiten (1,1,1-Trichlorethan) verwendet. Chlorierte Lösemittel gehören zu den für Umwelt und Gesundheit schädlichsten Chemikalien überhaupt. Sie sind, wie andere Lösemittel auch, Nervengifte und wirken narkotisierend. Darüber hinaus sind sie mehr oder weniger starke Organgifte, die vor allem Leber und Nieren schädigen. Bei der Zersetzung z.B. an heißen Oberflächen oder bei Bränden, entsteht aus den chlorierten Lösemitteln unter anderem Salzsäure und das auch als Kampfstoff eingesetzte Phosgen. Die extrem giftigen chlorierten Dioxine können ebenfalls gebildet werden. Chlorierte Lösemittel werden vor allem ihrer Unbrennbarkeit wegen in chemischen Reinigungen eingesetzt.

Chlorierte Lösemittel sind chemisch sehr stabil und werden, nachdem sie einmal in die Umwelt gelangt sind, oft jahrzehntelang nicht abgebaut. Einige Vertreter dieser Stoffklasse, vor allem das als relativ ungiftig bezeichnete 1,1,1-Trichlorethan, schädigen - ähnlich den Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) - die Ozonschicht. Vor allem in der Raumluft in an chemische Reinigungen angrenzenden Wohnungen und in Büros, in denen Korrekturflüssigkeiten in großen Mengen verbraucht werden, sind chlorierte Lösemittel oft in sehr hohen Konzentrationen nachweisbar. Fettreiche Lebensmittel wie Schokolade und Butter, die in solchen Räumen gelagert werden, nehmen die chlorierten Lösemittel in großen Mengen aus der Raumluft auf und reichern sie an. Angesichts der Gefahren für Umwelt und Gesundheit sollte die Verwendung dieser Lösemittel völlig vermieden werden. Der Einsatz an chlorierten Lösemitteln hat in den letzten Jahren deutlich abgenommen.

Alkohole, Ketone, Ester

Diese Substanzgruppen sind in vielen lösemittelhaltigen Zubereitungen enthalten. Im Vergleich zu anderen Lösemitteln fällt die ausgeprägte Reizwirkung vieler Alkohole, Ketone und Ester auf.

Alkohole wie Butanol und Isobutanol werden als Lösemittel und zur Verbesserung der Verlaufsfähigkeit und des Glanzes in konventionellen Kunstharzlacken (z.B. Alkydharzlacken) und aufgrund ihrer Wasserlöslichkeit zunehmend in wässrigen Lacksystemen, Wandfarben und Bodenbelagsklebern eingesetzt. Neben der narkotischen Wirkung können die Dämpfe Leber, Nieren, Hirn und Nerven schädigen. Viele Alkohole reizen Augen, Haut und Schleimhäute bereits in geringen Konzentrationen. Methylethylketon, abgekürzt MEK, ist wie Cyclohexanon ebenfalls häufiger Bestandteil von Lösemitteln. Die Giftwirkung der Ketone ähnelt derjenigen der Alkohole.

Ethylacetat und Butylacetat gehören zur Gruppe der Essigsäureester und werden als Lösemittel oft in Kombination mit Alkoholen eingesetzt. Polyurethanlacke, wie sie z.B. zur Versiegelung von Holzfußböden verwendet werden, enthalten sehr oft leichtflüchtige Essigsäureester.

Essigsäureester sind schleimhaut- und augenreizend, können Hirn und Nerven schädigen und wirken in höheren Konzentrationen narkotisierend. Sie sind häufig an ihrem charakteristischen durchdringend-fruchtigen Geruch erkennbar.

Siloxane

Ein neuer Rezepturbestanteil in Lacken, z.B. für Möbeloberflächen, sind flüchtige Siliciumverbindungen vom Siloxan-Typ. Sie werden nach Angaben von einigen Lackherstellern u.a. als Additive zur Verminderung der Grenzflächenspannung, zur Verbesserung des Verlaufs und der Pigmentvernetzung sowie zur Erhöhung der Kratzfestigkeit eingesetzt. Ein Vorteil der Siloxane aus der Sicht der Lack- und Möbelhersteller ist sicher ihre vollkommene Geruchlosigkeit. Während bei konventionellen Lösemittel deren Geruch häufig Anlaß von Beschwerden und Reklamationen z.B. beim Möbelkauf ist, entfällt diese warnende Wirkung, wenn Siloxane als Lösemittel verwendet werden. Wenn keine technischen oder wirtschaftlichen Gründe dagegen stehen, werden Siloxane daher in Zukunft vermutlich häufiger als Lösemittel eingesetzt werden.

Obwohl Siloxane von uns seit einigen Jahren häufig bei Laboruntersuchungen in den Chromatogrammen von Raumluftuntersuchungen identifiziert werden, ist ihnen bisher wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden. Grund dafür war die Annahme, daß es sich dabei um Verunreinigungen, sogenannte Blindwerte, aus siliconhaltigen Labormaterialien wie Schläuchen, Septen und Dichtungen oder silanisierten Glasoberflächen handelt. Diese Annahme ist nicht mehr aufrecht zu erhalten. Es ist nachgewiesen, daß flüchtige Siliciumverbindungen in erheblichem Umfang z.B. aus Möbeln ausgasen und in die Raumluft gelangen.

Flüchtige Siloxane in der Innenraumluft kommen zum Teil in erheblichen Konzentrationen (bis > 100 µg/m³) vor. Die Siedepunkte der bisher von uns in Raumluft nachgewiesenen cyclischen Methyl-Siloxane liegen zwischen ca. 170°C und über 220°C. Es handelt sich um methylierte Cyclotri-, Cyclotetra- und Cyclopentasiloxane.

In der von uns ausgewerteten Literatur sind keine Hinweise über die Toxizität flüchtiger Siliciumver-bingungen im Niedrig-Dosis Bereich enthalten, so daß die Bewertung von Innenraumkonzentrationen schwierig ist. Im Umwelt-Survey des Instituts für Wasser-, Boden- und Lufthygiene des Bundesgesundheitsamtes ist diese Substanzgruppe nicht berücksichtigt. Andere auswertbare Untersuchungen liegen bislang nicht vor. Eine Bewertung anhand von statistisch ermittelten Durchschnitts- oder Perzentilwerten ist daher ebenfalls nicht möglich.

Natürliche Lösemittel

Als Alternativen werden häufig Citrusterpene und Balsamterpentinöle empfohlen. Hinsichtlich der Gesundheitsgefahren sind diese Stoffe nicht harmlos. Natürliche Lösemittel können, in großeren Mengen eingeatmet, akute Symptome wie Schleimhautreizungen und Rauschzustände bewirken. Die allergieauslösende Wirkung einer Reihe von natürlichen Lösemitteln ist bekannt, für ihre Abbauprodukte wird ein krebsförderndes Potential diskutiert. Trotzdem sind natürliche Lösemittel in vielen Fällen eine wichtige Alternative zu den konventionellen Verdünnern. Das gilt vor allem dann, wenn sie Bestandteil von Lacken sind, die auch sonst konsequent aus natürlichen Rohstoffen hergestellt sind. Solche Anstrichmittel belasten die Umwelt nämlich allein schon bei der Produktion entscheidend weniger, als die auf synthetischem Wege hergestellten Fabrikate. Die Rohstoffe sind weitgehend natürlicher Herkunft und größtenteils erneuerbar - anders als die Rohstoffe konventioneller Lacke, auch derjenigen mit dem blauen Engel. Bei der Herstellung fallen kaum giftige Nebenprodukte an, während die Produktion konventioneller Lacke mit zu den größten Lieferanten hochgiftigen Sondermülls zählt. Und schließlich kann man naturlackgestrichenes Holz im Unterschied zu beispielsweise mit Alkydharzlack gestrichenem bedenkenlos verbrennen. Darüberhinaus gibt es inzwischen auch eine Reihe von wasserlöslichen Naturharzfarben, die weitgehend auf Citrusterpene verzichten.


Vorsicht ist immer geboten

Über all diesen unbestreitbaren Vorteilen der Naturharzlacke darf aber nicht vergessen werden, daß bei der Verarbeitung dieser Materialien die gleichen Vorsichtsmaßnahmen zu treffen sind wie bei jedem x-beliebigen Chemielack:

  • Vor Beginn von Renovierungsarbeiten sollte genau überlegt werden, welche Arbeiten mit lösemittelhaltigen Materialien unumgänglich sind. Je weniger mit Lacken, Klebstoffen und Pinselreinigern hantiert wird, um so geringer ist die Raumluftbelastung, mit den in ihnen enthaltenen Lösemitteln.
  • Möglichst im Freien malern! Wenn das nicht möglich ist, muß unbedingt für gute Durchlüftung gesorgt werden.
  • Malerarbeiten nur während der warmen Jahreszeit durchführen (dann lüftet sich`s leichter), im Notfall beim Malern Atemschutz tragen, frischgestrichene Räume mindestens eine Woche, besser vier Wochen "ausstinken" lassen. Wenn jemand aus der Nachbarschaft die
  • Fenster auf- und zumachen kann, ist der Beginn von großen Ferien im Sommer, kurz bevor es auf Urlaubsreise geht, ein idealer Zeitpunkt für umfangreichere Malerarbeiten zuhause.
  • Lösemittelarme oder -freie Produkte sollten immer dann verwendet werden, wenn sichergestellt ist, daß anstelle der Lösemittel keine anderen umwelt- und gesundheitsschädlichen Substanzen hinzugefügt wurden. Ansonsten sind Farben und Lacke auf natürlicher Rohstoffbasis eine gute Alternative.

Die beschriebenen Stoffe stellen mit ihren Giftwirkungen nur einen kleinen Ausschnitt dessen dar, was unter dem harmlosen Etikett "Lösemittel" verkauft wird. Jeder beliebige Lack kann diese oder ähnliche Substanzen und alle möglichen Mischungen davon enthalten. Und die Lösemittel, die in der Lackdose waren, finden wir nach dem Verarbeiten in der Atemluft wieder.

Nun ist bekannt, daß beim Verstreichen eines Lackes oder beim Verkleben eines Teppichbodens Lösemittel verdampfen und eingeatmet werden; der charakteristische Geruch von Lösemitteln ist dafür ein sicheres Zeichen. Doch ist es ein Irrtum zu glauben, daß die Lösemittel vollständig aus der Atemluft verschwunden sind, wenn der Geruch nicht mehr registriert wird. Untersuchungen belegen vielmehr, daß noch Wochen und Monate nach der Anwendung lösemittelhaltiger Lacke oder Kleber die flüchtigen Gifte in der Atemluft in erhöhten Konzentrationen vorhanden sind. Aus einem PVC-Fußbodenbelag beispielsweise, der mit einem "umweltfreundlichen" Dispersionskleber verlegt wurde, können noch Monate nach dem Verkleben große Mengen Toluol an die Raumluft abgegeben werden.

Lösemittel sind nicht nur - wie erwartet - in Materialien wie Lacken, Klebstoffen oder Pinselreinigern enthalten. Viele Dinge des täglichen Lebens, mit denen wir ständig umgehen, enthalten flüchtige organische Substanzen, ohne daß wir es vermuten. Wer denkt schon an Lösemittel, wenn beim Abwasch die "wilde Frische von Limonen" aus dem Spülmittel den Geruchssinn betört? Tatsache ist, daß der natürliche Geruchsstoff namens Limonen auch als Lösemittel eingesetzt wird und Gesundheitsschäden hervorrufen kann. Oder wer denkt an Perchlorethylen, wenn der frisch aus der chemischen Reinigung abgeholte Wintermantel in den Kleiderschrank im Schlafzimmer gehängt wird? Perchlorethylen schädigt Nerven und innere Organe, steht unter dem Verdacht, Krebs zu erzeugen und wird in chemischen Reinigungen als Waschmittel eingesetzt. Mit den frisch gereinigten Kleidungsstücken kommt das Gift in die Wohnung, wo es nur langsam ausgast. Auch neue Möbel können die Raumluft für längere Zeit mit Lösemitteldämpfen belasten: Lacke und Kleber, bei der Möbelherstellung verwendet, dünsten im heimischen Wohnzimmer aus. Oft hält diese Belastung, am Geruch erkennbar, wochenlang an. Besonders Baukastenmöbel, die gleich nach der Herstellung in Plastikfolie luftdicht verpackt wurden und erst zu Hause zusammengebaut werden, führen oft zu Beschwerden.

Dieses sind nur wenige Beispiele für eine Vielzahl von Materialien und Gegenständen, aus denen die unterschiedlichsten Lösemittel ausgasen und die Raumluft belasten können. Längst nicht alle Quellen für Lösemittel in Innenräumen sind bekannt; immer wieder werden selbst Fachmenschen verblüfft, weil scheinbar unverdächtige Gegenstände sich plötzlich als eine Ursache für die Lösemittelbelastung in Wohnräumen erweisen. So hat sich vor einigen Jahren gezeigt, daß frisch gedruckte Zeitungen und Zeitschriften erheblich zur Raumluftbelastung mit Lösemitteln beitragen können. Der Grund: Auch Druckfarben enthalten Lösemittel, die nur langsam ausgasen. Wo Zeitungen und Zeitschriften in großeren Mengen lagern, in Zeitungsläden und Buchhandlungen etwa, kann die Belastung so hoch sein, dass vor allem fettreiche Lebensmittel erhebliche Mengen der giftigen Chemikalien aufnehmen. Mehr durch Zufall als durch systematische Suche entdeckt, überraschte dieser Fund die ExpertInnen. Weitere Überraschungen sind zu erwarten. Das "Gift, das aus der Zeitung kommt" wird nicht die letzte gewesen sein.

Glykole und Glykolderivate

Luftanalytik: die Analyse von Glykolverbindungen entspricht im Wesentlichen der VOC-Analytik. Wichtigster Unterschied: als Desorptionsmittel wird anstelle von Schwefelkohlenstoff ein Gemisch aus Dichlormethan und Methanol verwendet, da mit Schwefelkohlenstoff die Glykolverbindungen nicht vollständig von der Aktivkohle heruntergelöst werden. Analytischer Nachweis mit Hilfe eines mit einem Massenspektrometer gekoppelten Gaschromatographen (GC/MS). Die Bestimmungsgrenze ist für die einzelnen Glykole sehr unterschiedlich und beträgt bei 100 Liter Sammelvolumen zwischen 1 und 25 µg/m³ pro Substanz.

Materialanalytik: Materialproben werden zur Untersuchung auf Glykolverbindungen in einem kleinen Prüfraum bei 60°C 2 Stunden lang im Gasstrom extrahiert. Der beladene Extraktionsgasstrom wird über ein Aktivkohle-Sammelröhrchen geleitet. Der weitere Analysengang entspricht der Luftanalytik.

Glykolverbindungen werden seit einigen Jahren zunehmend als Lösemittel eingesetzt. Sie werden hier jedoch von den Lösemitteln getrennt behandelt, weil sie einige besondere Eigenschaften aufweisen.

Glykolverbindungen sind meist als Lösemittel in "Wasserlacken" enthalten. Bis zu 10 Prozent der schädlichen Chemikalien, das erlaubt das Umweltbundesamt, dürfen in Lacken enthalten sein, die den "blauen Engel" verliehen bekommen. Das klingt zwar erstmal nicht viel, vergleicht man es mit konventionellen Lacken, die bis zu 50% Lösemittel und mehr enthalten können. Aber: den Umweltengel auf der Dose halten viele Verbraucher für einen Freibrief zum sorglosen Gebrauch des Inhalts. Und damit liegen sie falsch. Lösemittel in Wasserlacken sind keineswegs harmlos. Teilweise stehen sie in Ihrer Giftigkeit den konventionellen Lösemitteln nicht nach. Eine Reihe von Glykolverbindungen (präzise: die Ethylenglykolether und ihre Acetate) haben sich im Tierversuch als embryotoxisch und Mißbildungen erzeugend und darüber hinaus die Fortpflanzungsorgane schädigend erwiesen. Da die giftigen Abbauprodukte dieser Substanzen nach der Aufnahme nur langsam aus dem Körper ausgeschieden werden, können sie sich bei langandauernder Exposition im Körper anreichern. 2-Butoxyethanol, ein in Wasserlacken verwendetes Lösemittel, ist nicht nur augenreizend und gesundheitsschädlich beim Einatmen, Verschlucken und Berühren mit der Haut, sondern führt darüberhinaus zu Schädigungen im Blutbild und steht unter dem Verdacht, Leber und Nieren zu schädigen.

Manche Glykolverbindungen verdunsten nur extrem langsam. Sie können über Jahre hinweg aus gestrichenen Oberflächen ausgasen und die Raumluft belasten. Davon merkt der Bewohner oder die Bewohnerin allerdings nicht viel: schon kurze Zeit nach dem Verstreichen sind die Lösemitteldämpfe nicht mehr zu riechen.

Glykole haben einige Eigenschaften, die sie für die Verwendung als Lösemittel in Wasserlacken besonders attraktiv machen: im Unterschied zu den "klassischen" Lösemitteln wie Toluol, Xylol oder Testbenzin mischen sie sich in der Regel leicht mit Wasser. Das ist natürlich für einen Lack, in dem Wasser das Hauptlösemittel darstellt, von besonderer Bedeutung, zumal die in Wasserlacken enthaltenen Bindemittel sich eigentlich nicht in Wasser lösen. Glykole verdampfen nur langsam, so daß die Raumlufkonzentrationen beim Verstreichen niedriger liegen als bei Verwendung von konventionellen Lösemitteln. Der Geruch der konventionellen Lösemittel wird von vielen Verbrauchern mittlerweise als giftig und ungesund empfunden; Glykole riechen nur schwach und dazu noch ganz anders als beispielsweise Toluol und Testbenzin. Und, nicht zuletzt: die wenigen existierenden Grenzwerte für Glykole liegen so hoch, daß die Kennzeichnungspflicht für ihre Produkte von den Lackherstellern leicht zu umgehen ist.

Ein weiteres Problem, welches durch die Verwendung von Glykolen als Lösemittel entstehen kann, sind sogenannte Sekundärkontaminationen. Sie entstehen, wenn relativ schwerflüchtige Substanzen über lange Zeit hinweg die Luft in einem Raum belasten und sich nach und nach auf ursprünglich unbelasteten Wänden, Fußböden und in Textilien niederschlagen. Bekannt sind solche Sekundärkontaminationen aus Häusern, in denen Oberflächen mit Holzschutzmitteln behandelt wurden. Einige Jahre nach der Behandlung konnten Wirkstoffe wie Pentachlorphenol (PCP) und Lindan auch in nicht behandelten Tapeten, Vorhängen und Fußbodenbelägen nachgewiesen werden.

Sind Sekundärkontaminationen vorhanden, kann es extrem schwierig sein, die Raumluftbelastung zu vermindern. Selbst das vollständige Entfernen der behandelten Gegenstände oder Oberflächen reicht oft nicht aus. Die von den großflächigen Sekundärkontaminationen ausgehende Belastung ist dann nur unter großem Aufwand und mit hohen Kosten einigermaßen zu beseitigen.

Einige hochsiedende Glykolverbindungen mit Siedepunkten über 200°C werden seit einigen Jahren besonders gerne in Klebern für Bodenbeläge verwendet. Der Grund: im Oktober 1994 wurde die Technische Regel für Gefahrstoffe (TRGS) Nr. 610 überarbeitet. In diesem Regelwerk, welches die Anforderungen der Gefahrstoffverordnung im Detail formuliert, werden als Lösemittel kurzerhand nur noch solche Chemikalien definiert, deren Siedepunkt unter 200°C liegt. Hersteller von Bodenbelagsklebern, deren Produkte z.B. 3 % der Glykolverbindung 2-Phenoxyethanol (EGMP) enthalten (Siedepunkt: 245°C), dürfen diese als "lösemittelfrei" bewerben. Wer einen solcherart "lösemittelfreien" Kleber verwendet, hat anschließend häufig ein Problem: Räume, in denen vor mehr als drei Monaten Auslegeware mit solchen Klebern verlegt worden war, wiesen nach eigenen Messungen Raumluftkonzentrationen bis zu 400 µg/m³ 2-Phenoxyethanol auf.

In der folgenden Tabelle finden Sie einzelne Glykole, für die wir bestimmte Produkte als Quellen eindeutig nachweisen konnten:

IUPAC-Substanzbezeichnung bisher eindeutig identifizierte Quellen
1,2-Propylenglykolmonomethylether (PGMM) Möbelpolitur
Ethylenglykol (EG) Bodenbelagskleber, Wasserlacke
1,2-Propylenglykol (1,2 PG) Wasserlacke
Ethylenglykolmonobutylether (EGMB) Bodenbelagskleber, Wasserlacke
Diethylenglykolmonobutylether (DEGMB) Bodenbelagskleber, Wasserlacke
Ethylenglykolmonophenylether (EGMP) Bodenbelagskleber, Wasserlacke
Dipropylenglykolmonobutylether (DPGMB) Wand- und Deckenfarbe
Propylenglykolmonophenylether (PGMP) Wasserlacke
Tripropylenglykolmonobutylether (TPGMB) Latexfarbe, Tiefgrund
Diethylenglykolmonobutyletheracetat (DEGMBA) Bodenbelagskleber
2,2,4-Trimethyl,-1,3-Pentandiolmonoisobutyrat Wasserlacke

Quellen für Glykolverbindungen in Innenräumen können sein: Lösemittel in Wasserlacken und konventionellen Kunstharzlacken, Wandfarben, Tiefgrund, Teppich- und PVC-Klebern (auch "lösemittelfreie"!), Feuchthaltemittel z.B. in Tabak, Papier, Gelatine, Fassaden- und Lackabbeizer, Tinte von Tintenstrahldruckern, Fußbodenpflegemittel, Möbelpolituren, Druckfarben.

Mikrobiologisch erzeugte flüchtige organische Verbindungen (MVOC)

Luftanalytik:Die Analyse von MVOC mittels Lösemitteldesorption entspricht im Wesentlichen der Analytik der Glykole und Glykolderivate. Die Sammlung erfolgt auf Anasorb 747, als Desorptionsmittel wird ein Gemisch aus Dichlormethan und Methanol verwendet. Analytischer Nachweis mit Hilfe eines mit einem Massenspektrometer gekoppelten Gaschromatographen (GC/MS). Die Bestimmungsgrenze ist von Substanz zu Substanz unterschiedlich. Neben einem substanzspezifischen Responsefaktor spielt vor allem das Vorhandensein störender VOC in der untersuchten Raumluft eine Rolle. Bei einem Sammelvolumen von 240 Litern Raumluft liegt die Bestimmungsgrenze in der Regel zwischen 30 ng/m³ und 100 ng/m³.

Bei der Analyse von MVOC mittels Thermodesorption erfolgt die Probenahme auf Sammelröhrchen, die mit dem Adsorptionsmittel TENAX gefüllt sind. Diese Röhrchen können in speziellen Transportbehältern zusammen mit einer detaillierten Probenahmeanleitung von ALAB bezogen werden. Die Röhrchen werden mit mindestens 2 Litern Luft bei einem Volumenstrom von ca. 100 ml/min beladen. Die Analyse erfolgt nach thermischer Desorption gaschromatographisch mit massenselektivem Detektor. Da sich die Bestimmungsgrenzen meistens nach dem Vorhandensein anderer störender VOC in der Raumluft richten, die sich mit den nachzuweisenden MVOC überlagern, liegt die Nachweisgrenze in der Regel ebenfalls bei 30 bis 100 ng/m³ pro Substanz. Die Vorteile gegenüber der Lösemitteldesorption besteht in kürzeren Probenahmezeiten und einer umfangreicheren Untersuchungspalette. Beispielsweise läßt sich Dimethylsulfid nur mit Thermodesorption nachweisen, da es unter dem Lösemittelpeak liegt.

Mikroorganismen wie Schimmelsporen und Bakterien finden sich in Innenräumen auf jeder Oberfläche. Für ihr Wachstum und die Vermehrung benötigen sie Nährstoffe und Feuchtigkeit. Nährstoffe sind in den meisten Materialien, die zum Bau, zur Dekoration und zur Einrichtung von Wohnungen und Häusern verwendet werden, reichlich vorhanden. Von Schimmelpilzen und Bakterien verwertbare Nährstoffe sind überwiegend aus Kohlenstoff und Wasserstoff aufgebaut, zudem enthalten sie oft Sauerstoff und Stickstoff. Tapeten, Holz, Spanplatten, Papier, Gipskartonplatten, Kork, Dichtungsmassen, Textilien und manche Kunststoffe enthalten Nährstoffe, die von vielen Schimmelpilzen zum Wachstum und zur Vermehrung genutzt werden können. Kommt noch genügend Feuchtigkeit hinzu, ist das Schimmelwachstum vorprogrammiert.

Auch Materialien, die eigentlich nicht als Nahrungsgrundlage geeignet sind, können verschimmeln. So bildet sich selbst auf Glasscheiben manchmal Schimmel; ein Feuchtigkeitsfilm, angereichert mit Nährstoffen, die aus anderen Materialien verdampfen und sich auf der Glasoberfläche niederschlagen, ermöglicht das Wachstum. Eigentlich unverdauliche Gegenstände aus PVC können verschimmeln: PVC-Duschvorhänge beispielsweise enthalten große Mengen an Weichmachern, die wiederum hervorragende Nährböden für Schimmelpilze darstellen. Die nötige Feuchtigkeit ist bei Duschvorhängen fast immer vorhanden.

Nicht sichtbare Schimmelschäden können zum Beispiel an Außenwänden hinter Schränken, hinter diffusionsdichten Tapeten oder unter Bodenbelägen auftreten. Typische Ursachen nicht sichtbarer mikrobieller Belastungen sind auch raumlufttechnische Anlagen. Gerade ältere Klimaanlagen werden häufig nicht ausreichend gewartet. Luftfilter, die jahrelang nicht gewechselt wurden, können von Schimmel regelrecht durchwachsen sein, die Luftkanäle können durch Kondenswasser zu einer Brutstätte für Keime aller Art werden. Auch die Wassertanks der Luftbefeuchter in manchen Klimaanlagen können bei unzureichender Reinigung eine Quelle für Schimmelpilze oder Bakterien werden. Eine mikrobielle Belastung ganz anderer Art lässt sich häufig schon am Geruch erkennen: in Abwasserleitungen lebende Fäulnisbakterien bilden leichtflüchtige Schwefelverbindungen wie Dimethylsulfid und Dimethyldisulfid. Deren extrem starker Geruch nach faulen Eiern und Fäkalien ist ein Indikator für Undichtigkeiten oder fehlende Verschlussstopfen an Abwasserleitungen oder ausgetrocknete Geruchsverschlüsse von Abflüssen.

Der Nachweis eines Schimmelbefalls wird heute noch häufig anhand der in der Luft messbaren vermehrungsfähigen Zellen geführt. Die mit einem Luftkeimsammler gesammelten Mikroorganismen werden auf speziellen Nährböden bebrütet, nach einer gewissen Zeit werden die herangewachsenen "Kolonien" gezählt. Bei verstecktem Schimmelbefall in der Bausubstanz, wenn also zwischen der Raumluft und dem mikrobiellen Befall die direkte Luftverbindung fehlt, ist bei diesem Verfahren die Gefahr eines falschen negativen Befundes jedoch groß. Zudem geben viele häufig vorkommenden Schimmelarten ihre Keime nicht gleichmäßig an die Raumluft ab. Wird gemessen, während der Schimmel sich eine Ruhepause gönnt, kann das Ergebniss ebenfalls negativ und damit falsch ausfallen. Schließlich verschmähen viele in der Luft vorhandenen Keime die üblicherweise verwendeten Nährböden: sie verweigern schlicht das Wachstum und können daher auf diesem Wege nicht nachgewiesen werden.

Die Hauptaktivität der Mikroorganismen richtet sich auf den Abbau komplexer Nährstoffe zu einfacheren Verbindungen unter Bildung von Kohlendioxid und Wasser, mikrobieller Biomasse und Energiegewinn für die Lebensprozesse. Während dieses Um-/Abbaus werden eine ganze Reihe von Stoffwechselprodukten als flüchtige Verbindungen abgegeben, die MVOC genannt werden. Diese MVOC (Microbial Volatile Organic Compounds oder deutsch: mikrobielle flüchtige organische Substanzen), sind häufig sehr geruchsintensiv und für die typischen Schimmel- oder Bakteriengerüche verantwortlich. Die noch in geringsten Konzentrationen (teilweise in nur wenigen Nanogramm pro Kubikmeter) gut wahrnehmbaren MVOC weisen charakteristische chemische Eigenheiten auf, die für gute geruchliche Wahrnehmbarkeit sorgen. Häufig finden sich Substanzen mit Doppelbindungen, Alkohole und Schwefelverbindungen unter den MVOC. Der ungesättigte Alkohol 1-Octen-3-ol beispielsweise, ein Stoffwechselprodukt vieler Schimmelpilze, riecht intensiv nach Pilzen. Er wird daher auch "Champignol" genannt. Manche Bakterien scheiden Dimethyldislufid aus, eine durchdringend nach Fäkalien riechende schwefelhaltige Substanz. Erhöhte Dimethyldisulfid-Konzentrationen in der Raumluft können ein Hinweis auf undichte Abwasserleitungen sein.

Allerdings sind nicht alle flüchtigen Stoffwechselprodukte von Mikroorganismen eindeutig einer mikrobiellen Quelle zuzuordnen. Eine Vielzahl von Substanzen wie niedere Alkohole, Aldehyde, Ketone, Aromaten, Terpene und CO2 werden zwar auch von Schimmelpilzen produziert, eignen sich aber nicht für das Erkennen eines potentiell vorliegenden Schimmelpilzbefalls, da sie entweder ubiquitär (z. B. CO2) oder aufgrund menschlicher Aktivitäten (z. B. Ketone und Alkohole aus Lösemitteln) in der Umwelt vorhanden sind. Von Schimmelpilzen produzierte Terpene wie Limonen, lpha - und beta -Pinen sowie Isolongifolen können aus Naturharzfarben oder Klebstoffen ausdünsten. Auch die von manchen Mikroorganismen produzierten Aromaten wie Toluol und Xylol können nicht als Indikatoren für einen Pilzbefall in Innenräumen gelten, da sie aus dem Straßenverkehr oder aus Einrichtungsgegenständen stammen könnten. Gegenwärtig werden vor allem Dimethylsulfid, 2-Methyl-1-butanol, 2-Pentylfuran, 1-Octen-3-ol, Dimethyldisulfid, 3-Methyl-1-butanol und 3-Methylfuran als Indikatoren für Schimmelschäden verwendet. Neuere Forschungs-ergebnisse lassen allerdings Zweifel aufkommen, ob diese sogenannten "Indikator-MVOC" tatsächlich nur von Mikroorganismen gebildet werden. Im Zigarettenrauch beispielsweise wurden große Mengen Methylfuran nachgewiesen. In Raucherwohnungen findet man diese Substanz daher häufig auch dann, wenn keinerlei Schimmelbefall vorhanden ist.

Neben der Indikatorfunktion wird auch ein mögliches gesundheitliches Risiko durch MVOC diskutiert. Mit einer MVOC-Belastung in Verbindung gebracht werden Symptome wie hartnäckige Schleimhautreizungen der oberen Atemwege und der Kieferhöhlen, Kopfschmerzen und trockene Bindehäute, Müdigkeit, Juckreiz oder Hautausschläge, unmotivierte Aggressivität, häufige Stimmungsschwankungen, Gelenk- und Muskelschmerzen. Der unspezifische Charakter dieser Krankheitszeichen dürfte aber eine eindeutige Zuordnung sehr schwierig machen. Zudem sind viele Fachmenschen der Ansicht, dass die im Vergleich zu anderen Innenraumschadstoffen sehr niedrigen Konzentrationen der MVOC gesundheitlich als irrelevant anzusehen sind. Bis zur Klärung dieser Frage sollte die Indikatorfunktion der MVOC bei der Bewertung daher im Vordergrund stehen.

© AGÖF / Verfasser: Peter Braun / Analyselabor in Berlin - ALAB GmbH / Internet: www.alab-berlin.de
Stand: August 2003