Dieser Artikel wurde uns freundlicherweise von unserem Mitgliedsinstitut Analyselabor in Berlin - ALAB GmbH zur Verfügung gestellt, Autor: Peter Braun
Luftanalytik: die Analyse von auf Aktivkohle-Sammelröhrchen gezogenen
Luftproben wird in Anlehnung an die VDI-Richtlinie 3482 Blatt 5 bzw.
VDI 4300 Blatt 6 ausgeführt. In Stichworten: Zugabe von internen Standards
zu der beladenen Aktivkohle, Desorption der nachzuweisenden Substanzen mit
Schwefelkohlenstoff, analytischer Nachweis mit Hilfe eines mit einem
Massenspektrometer gekoppelten Gaschromatogra-phen (GC/MS). Die
Bestimmungsgrenze beträgt bei 100 Liter Sammelvolumen 1 bis 5 µg/m³
pro Substanz.
Materialanalytik: Materialproben werden zur Untersuchung auf VOC in
einem kleinen Prüfraum bei 60 °C 2 Stunden lang im Gasstrom extrahiert.
Der beladene Extraktionsgasstrom wird über ein Aktivkohle-Sammelröhrchen
geleitet. Der weitere Analysengang entspricht der Luftanalytik.
Die Atemluft ist mittlerweile fast überall mehr oder weniger stark mit
Lösemitteln belastet. Man spricht daher von einer "Grundbelastung der
Atemluft", die einerseits durch Auto- und Industrieabgase sowie
andererseits durch im Bau-, Ausstattungs-, Reinigungs- oder Hobbybereich
verwendete Materialien hervorgerufen wird.
Lösemittel begleiten uns auf Schritt und Tritt: sie sind in der Atemluft
allgegenwärtig und in unzähligen Produkten des täglichen Gebrauchs enthalten.
An vielen Arbeitsplätzen müssen die dort Beschäftigten hohe Konzentrationen
gesundheitsschädlicher Lösemittel ertragen. Kraftstoffe bestehen z. B. fast
ausschließlich aus Chemikalien, die auch als Lösemittel verwendet werden.
Weil viele Lösemittel aber nur in hohen Konzentrationen, etwa an Tankstellen
oder unmittelbar nach Malerarbeiten, an ihrem Geruch zu erkennen sind, wissen
wir oft gar nicht, daß wir mit ihnen zu tun haben. Schon wenige Tage nach
Beendigung der Malerarbeiten kann der typische Lösemittelgeruch verschwunden
sein. Das ist aber noch längst kein Beleg für saubere Luft. Mit Hilfe von
Analysen lassen sich oft noch Monate nach Renovierungsmaßnahmen erhöhte
Lösemittelkonzentrationen in der Raumluft nachweisen. Lösemittel werden auch
in Nahrungsmitteln, vor allen Dingen den fetthaltigen, immer wieder gefunden.
Lösemittelverseuchte Lebensmittel, wie perchlorethylenbelastete Butter in
der Nähe von chemischen Reinigungen, lassen sich am Geschmack nicht
erkennen.
Lösemittel sind aus ganz unterschiedlichen Gründen ins Gerede gekommen. Einmal
aus Gründen des Umweltschutzes - jährlich werden schätzungsweise 350.000
Tonnen Lösemittel freigesetzt. Deren Abbauprodukte tragen, einmal in die Umwelt
gelangt, zur Bildung von Stickoxiden und damit zur Entstehung des
"Sommersmogs" bei. Außerdem schädigen einige Lösemittel die
Ozonschicht. Vor allem aber sind die Lösemittel für HeimwerkerInnen gefährlich,
denn für sie gibt es - anders als in industriellen Lackieranlagen - kaum
einen wirksamen Schutz vor den Lösemitteldämpfen aus Farben, Lacken,
Teppichklebern und Pinselreinigern. Und gerade im Handwerker- und Hobbybereich
werden immer noch oft Lacksysteme mit hohem Lösemittelanteil verwendet. Ein
normaler Kunstharzlack kann 50% Lösemittel enthalten, die sogenannten
Nitrolacke sogar bis zu 70%. Man muß sich klarmachen: Ein Liter eines
konventionellen Kunstharzlackes kann einen halben Liter Lösemittel enthalten.
Dieser halbe Liter Lösemittel verdunstet während des Verstreichens und beim
Trocknen des Lackes vollständig. Einen Teil davon atmen wir ein, wenn wir
uns in einem Raum aufhalten, in dem ein lösemittelhaltiger Lack frisch
verstrichen wurde. In der Tabelle auf Seite 28 finden Sie den einzelnen von
uns nachgewiesenen VOC den wichtigsten bekannten Quellen zugeordnet.
Jeder, der in einem geschlossenen Raum einmal großere Flächen mit einem
lösemittelhaltigen Lack gestrichen hat, wird in irgendeiner Weise eine Wirkung
der Lösemitteldämpfe gespürt haben. Kopfschmerzen, Schleimhautreizungen,
Benommenheit oder das Auftreten von Allergien sind die typischen Folgen, wenn
Lösemitteldämpfe ein-geatmet werden. Im Extremfall kann Bewußtlosigkeit
auftreten, selbst Todesfälle gibt es immer wieder. Dauerhafte Schäden können
am zentralen Nervensystem und an inneren Organen auftreten. In der
Öffentlichkeit bekannt wurden die als "Malerkrankheit" bezeichneten
Hirnschädigungen, die in Dänemark bis 1983 bei mehr als 700 Frauen und Männern
als - durch Lösemittel verursachte - Berufskrankheit anerkannt wurden.
Unterschiede im Sortiment
Die beschriebenen allgemeinen Giftwirkungen sind grundsätzlich allen Lösemitteln
eigen. Doch gibt es durchaus Unterschiede in der Giftigkeit der einzelnen
Stoffe. Vor allem dann, wenn keine ungiftigen lösemittelfreien Produkte zur
Auswahl stehen, kann die Zusammensetzung des Lösemittels ein wichtiger
Prüfstein sein. Im Folgenden soll daher auf einige Lösemittelgruppen
hinsichtlich ihrer Giftigkeit und teilweise auch ihrer Einsatzgebiete
näher eingegangen werden.
Aromaten wie Toluol, Ethylbenzol oder Xylole werden hauptsächlich in Nitro- und Kunstharzlacken als Verdünner eingesetzt. Auch bestimmte Dispersionskleber für Bodenbeläge können aromatische Lösemittel enthalten. Sie werden über die Atemwege und den Magen-Darmtrakt aufgenommen. Auch über die Haut können - vor allem beim direkten Umgang mit Lacken und Lösemitteln - erhebliche Mengen absorbiert werden. Auf keinen Fall sollte man sich Lack- oder Kleberreste mit Lösemitteln von der Haut abwaschen! Toluoldämpfe schädigen das Nervensystem, was sich an Symptomen wie Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwächegefühl, Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen zeigen kann. Xylole wirken ähnlich und können darüber hinaus Blutbildveränderungen, eine Tendenz zu Früh- und Fehlgeburten sowie Sterilität bewirken. Benzol darf übrigens als Lösemittel nicht mehr verwendet werden, da es sich als krebserzeugend erwiesen hat. Als Verunreinigung kann es aber in Lösemitteln enthalten sein. Aromatische Lösemittel, vor allem Toluol, sind aufgrund ihrer vielfältigen Anwendung in fast jeder Raumluft nachweisbar.
Dies ist die Bezeichnung für eine Gruppe von chemisch recht stabilen Chemikalien, die neben den aromatischen Lösemitteln sehr häufig als Lackverdünner eingesetzt werden. Hexan, Oktan, Dekan, Dodekan sind die Namen einiger Einzelstoffe aus dieser Chemikalienfamilie. Petrolether, Siedegrenzenbenzin und Testbenzin sind Sammelbezeichnungen für Gemische dieser Substanzen mit unterschiedlichen Siedepunkten. Bis zu 0,1% des krebserzeugenden Benzols dürfen diese Gemenge nach der Gefahrstoff-Verordnung als Verunreinigung enthalten. Testbenzin enthält außer aliphatischen Lösemitteln bis zu 10% Xylol und 1% Toluol. Aliphatische Lösemittel reizen die Schleimhäute, können zu Erbrechen führen und Lungenentzündung hervorrufen. In der Raumluft sind sie, meist in etwas geringeren Konzentrationen als die aromatischen Lösemittel, häufig nachweisbar.
Die isoaliphatischen Lösemittel, auch Isoparaffine genannt, gehören zu den
aliphatischen Lösemitteln. Im Unterschied zu den geradkettig aufgebauten
n-Alkanen weisen sie in ihrer Molekülkette Verzweigungen auf. Man nennt diese
verzweigten Verbindungen isomere Aliphaten oder kurz Iso-Aliphaten. Daß sie
hier gesondert aufgeführt sind, hat einen Grund: Iso-Aliphaten werden von
einigen Naturharzlack-Herstellern anstelle von Terpenkohlenwasserstoffen
als Lösemittel verwendet. Als Begründung wird von den Herstellern ein gegenüber
den Terpenen geringeres allergenes Potential und die angebliche Ungiftigkeit
der Iso-Aliphaten genannt. Zumindest die Behauptung, Iso-Aliphaten seien
ungiftig, hält einer kritischen Betrachtung nicht stand. Die Dämpfe der
Iso-Aliphaten verursachen Reizungen der Augen und Atemwege, Kopfschmerzen,
Schwindel und Störungen des Zentralnervensystems. Geringste Mengen, die bei
Verschlucken oder nachfolgendem Erbrechen in die Lunge gelangen, können zu
Lungenödem oder zu einer Lungenentzündung führen. Iso-Aliphaten sind
Substanzgemische, deren genaue Zusammensetzung offenbar nicht einmal den
Herstellern bekannt ist. So antwortete die Firma EXXON CHEMIKAL GmbH auf
die Frage nach der Zusammensetzung ihres Iso-Aliphaten-Gemisches
"Isopar" lediglich mit der Auflistung der Kohlenstoffzahl der
enthaltenen Verbindungen.
Charakteristisch für die Iso-Aliphaten ist aber die große Variationsbreite
der in den Gemischen vorkommenden Verbindungen mit gleicher Kohlenstoffzahl,
da einer einzigen Summenformel eine Vielzahl von Isomeren mit unterschiedlichen
chemischen, physikalischen und auch toxikologischen Eigenschaften zuzuordnen
ist. So gibt es für die aliphatische Verbindung "Dekan" mit 10
Kohlenstoffatomen 75 Isomere. Für die aliphatische Verbindung "Eicosan" mit
20 Kohlenstoffatomen gibt es bereits über 300.000 Isomere! Ein Vielstoffgemisch,
wie es Iso-Aliphaten bilden, pauschal als "ungiftig" zu bezeichnen,
ist schon aus diesem Grund nicht haltbar. Die Dämpfe der Iso-Aliphaten sind
zudem gerucharm bis geruchlos, so daß die bei herkömmlichen Lösemitteln oder
auch Terpengemischen gegebene Warnwirkung entfällt. Hinzu kommt, daß zur
Herstellung von Iso-Aliphaten zahlreiche Prozessschritte mit Verbrauch von
u.a. Erdöl und Energie sowie Anfall von giftigen Abfällen nötig sind.
Chlorierte Lösemittel werden unter anderem in chemischen Textilreinigungen
(Perchlorethylen), zum Abbeizen (Dichlormethan) und als Lösemittel in
Korrekturflüssigkeiten (1,1,1-Trichlorethan) verwendet. Chlorierte Lösemittel
gehören zu den für Umwelt und Gesundheit schädlichsten Chemikalien überhaupt.
Sie sind, wie andere Lösemittel auch, Nervengifte und wirken narkotisierend.
Darüber hinaus sind sie mehr oder weniger starke Organgifte, die vor allem
Leber und Nieren schädigen. Bei der Zersetzung z.B. an heißen Oberflächen oder
bei Bränden, entsteht aus den chlorierten Lösemitteln unter anderem Salzsäure
und das auch als Kampfstoff eingesetzte Phosgen. Die extrem giftigen
chlorierten Dioxine können ebenfalls gebildet werden. Chlorierte Lösemittel
werden vor allem ihrer Unbrennbarkeit wegen in chemischen Reinigungen
eingesetzt.
Chlorierte Lösemittel sind chemisch sehr stabil und werden, nachdem sie
einmal in die Umwelt gelangt sind, oft jahrzehntelang nicht abgebaut.
Einige Vertreter dieser Stoffklasse, vor allem das als relativ ungiftig
bezeichnete 1,1,1-Trichlorethan, schädigen - ähnlich den
Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) - die Ozonschicht. Vor allem in der
Raumluft in an chemische Reinigungen angrenzenden Wohnungen und in Büros,
in denen Korrekturflüssigkeiten in großen Mengen verbraucht werden, sind
chlorierte Lösemittel oft in sehr hohen Konzentrationen nachweisbar.
Fettreiche Lebensmittel wie Schokolade und Butter, die in solchen Räumen
gelagert werden, nehmen die chlorierten Lösemittel in großen Mengen aus
der Raumluft auf und reichern sie an. Angesichts der Gefahren für Umwelt
und Gesundheit sollte die Verwendung dieser Lösemittel völlig vermieden
werden. Der Einsatz an chlorierten Lösemitteln hat in den letzten Jahren
deutlich abgenommen.
Diese Substanzgruppen sind in vielen lösemittelhaltigen Zubereitungen
enthalten. Im Vergleich zu anderen Lösemitteln fällt die ausgeprägte
Reizwirkung vieler Alkohole, Ketone und Ester auf.
Alkohole wie Butanol und Isobutanol werden als Lösemittel und zur
Verbesserung der Verlaufsfähigkeit und des Glanzes in konventionellen
Kunstharzlacken (z.B. Alkydharzlacken) und aufgrund ihrer Wasserlöslichkeit
zunehmend in wässrigen Lacksystemen, Wandfarben und Bodenbelagsklebern
eingesetzt. Neben der narkotischen Wirkung können die Dämpfe Leber, Nieren,
Hirn und Nerven schädigen. Viele Alkohole reizen Augen, Haut und Schleimhäute
bereits in geringen Konzentrationen. Methylethylketon, abgekürzt MEK, ist
wie Cyclohexanon ebenfalls häufiger Bestandteil von Lösemitteln. Die
Giftwirkung der Ketone ähnelt derjenigen der Alkohole.
Ethylacetat und Butylacetat gehören zur Gruppe der Essigsäureester und werden
als Lösemittel oft in Kombination mit Alkoholen eingesetzt. Polyurethanlacke,
wie sie z.B. zur Versiegelung von Holzfußböden verwendet werden, enthalten
sehr oft leichtflüchtige Essigsäureester.
Essigsäureester sind schleimhaut- und augenreizend, können Hirn und Nerven
schädigen und wirken in höheren Konzentrationen narkotisierend. Sie sind
häufig an ihrem charakteristischen durchdringend-fruchtigen Geruch erkennbar.
Ein neuer Rezepturbestanteil in Lacken, z.B. für Möbeloberflächen, sind
flüchtige Siliciumverbindungen vom Siloxan-Typ. Sie werden nach Angaben
von einigen Lackherstellern u.a. als Additive zur Verminderung der
Grenzflächenspannung, zur Verbesserung des Verlaufs und der Pigmentvernetzung
sowie zur Erhöhung der Kratzfestigkeit eingesetzt. Ein Vorteil der Siloxane
aus der Sicht der Lack- und Möbelhersteller ist sicher ihre vollkommene
Geruchlosigkeit. Während bei konventionellen Lösemittel deren Geruch häufig
Anlaß von Beschwerden und Reklamationen z.B. beim Möbelkauf ist, entfällt
diese warnende Wirkung, wenn Siloxane als Lösemittel verwendet werden. Wenn
keine technischen oder wirtschaftlichen Gründe dagegen stehen, werden Siloxane
daher in Zukunft vermutlich häufiger als Lösemittel eingesetzt werden.
Obwohl Siloxane von uns seit einigen Jahren häufig bei Laboruntersuchungen
in den Chromatogrammen von Raumluftuntersuchungen identifiziert werden, ist
ihnen bisher wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden. Grund dafür war die Annahme,
daß es sich dabei um Verunreinigungen, sogenannte Blindwerte, aus
siliconhaltigen Labormaterialien wie Schläuchen, Septen und Dichtungen oder
silanisierten Glasoberflächen handelt. Diese Annahme ist nicht mehr aufrecht
zu erhalten. Es ist nachgewiesen, daß flüchtige Siliciumverbindungen in
erheblichem Umfang z.B. aus Möbeln ausgasen und in die Raumluft gelangen.
Flüchtige Siloxane in der Innenraumluft kommen zum Teil in erheblichen
Konzentrationen (bis > 100 µg/m³) vor. Die Siedepunkte der
bisher von uns in Raumluft nachgewiesenen cyclischen Methyl-Siloxane liegen
zwischen ca. 170°C und über 220°C. Es handelt sich um methylierte Cyclotri-,
Cyclotetra- und Cyclopentasiloxane.
In der von uns ausgewerteten Literatur sind keine Hinweise über die Toxizität
flüchtiger Siliciumver-bingungen im Niedrig-Dosis Bereich enthalten, so daß
die Bewertung von Innenraumkonzentrationen schwierig ist. Im Umwelt-Survey des
Instituts für Wasser-, Boden- und Lufthygiene des Bundesgesundheitsamtes
ist diese Substanzgruppe nicht berücksichtigt. Andere auswertbare Untersuchungen
liegen bislang nicht vor. Eine Bewertung anhand von statistisch ermittelten
Durchschnitts- oder Perzentilwerten ist daher ebenfalls nicht möglich.
Als Alternativen werden häufig Citrusterpene und Balsamterpentinöle empfohlen.
Hinsichtlich der Gesundheitsgefahren sind diese Stoffe nicht harmlos.
Natürliche Lösemittel können, in großeren Mengen eingeatmet, akute Symptome
wie Schleimhautreizungen und Rauschzustände bewirken. Die allergieauslösende
Wirkung einer Reihe von natürlichen Lösemitteln ist bekannt, für ihre
Abbauprodukte wird ein krebsförderndes Potential diskutiert. Trotzdem sind
natürliche Lösemittel in vielen Fällen eine wichtige Alternative zu den
konventionellen Verdünnern. Das gilt vor allem dann, wenn sie Bestandteil
von Lacken sind, die auch sonst konsequent aus natürlichen Rohstoffen
hergestellt sind. Solche Anstrichmittel belasten die Umwelt nämlich allein
schon bei der Produktion entscheidend weniger, als die auf synthetischem Wege
hergestellten Fabrikate. Die Rohstoffe sind weitgehend natürlicher Herkunft und
größtenteils erneuerbar - anders als die Rohstoffe konventioneller Lacke,
auch derjenigen mit dem blauen Engel. Bei der Herstellung fallen kaum giftige
Nebenprodukte an, während die Produktion konventioneller Lacke mit zu den
größten Lieferanten hochgiftigen Sondermülls zählt. Und schließlich kann
man naturlackgestrichenes Holz im Unterschied zu beispielsweise mit
Alkydharzlack gestrichenem bedenkenlos verbrennen. Darüberhinaus gibt es
inzwischen auch eine Reihe von wasserlöslichen Naturharzfarben, die
weitgehend auf Citrusterpene verzichten.
Vorsicht ist immer geboten
Über all diesen unbestreitbaren Vorteilen der Naturharzlacke darf aber nicht
vergessen werden, daß bei der Verarbeitung dieser Materialien die gleichen
Vorsichtsmaßnahmen zu treffen sind wie bei jedem x-beliebigen Chemielack:
Die beschriebenen Stoffe stellen mit ihren Giftwirkungen nur einen
kleinen Ausschnitt dessen dar, was unter dem harmlosen Etikett
"Lösemittel" verkauft wird. Jeder beliebige Lack kann diese oder
ähnliche Substanzen und alle möglichen Mischungen davon enthalten. Und
die Lösemittel, die in der Lackdose waren, finden wir nach dem Verarbeiten
in der Atemluft wieder.
Nun ist bekannt, daß beim Verstreichen eines Lackes oder beim Verkleben
eines Teppichbodens Lösemittel verdampfen und eingeatmet werden; der
charakteristische Geruch von Lösemitteln ist dafür ein sicheres Zeichen.
Doch ist es ein Irrtum zu glauben, daß die Lösemittel vollständig aus
der Atemluft verschwunden sind, wenn der Geruch nicht mehr registriert wird.
Untersuchungen belegen vielmehr, daß noch Wochen und Monate nach der
Anwendung lösemittelhaltiger Lacke oder Kleber die flüchtigen Gifte in der
Atemluft in erhöhten Konzentrationen vorhanden sind. Aus einem
PVC-Fußbodenbelag beispielsweise, der mit einem "umweltfreundlichen"
Dispersionskleber verlegt wurde, können noch Monate nach dem Verkleben
große Mengen Toluol an die Raumluft abgegeben werden.
Lösemittel sind nicht nur - wie erwartet - in Materialien wie Lacken,
Klebstoffen oder Pinselreinigern enthalten. Viele Dinge des täglichen Lebens,
mit denen wir ständig umgehen, enthalten flüchtige organische Substanzen,
ohne daß wir es vermuten. Wer denkt schon an Lösemittel, wenn beim Abwasch
die "wilde Frische von Limonen" aus dem Spülmittel den Geruchssinn
betört? Tatsache ist, daß der natürliche Geruchsstoff namens Limonen auch
als Lösemittel eingesetzt wird und Gesundheitsschäden hervorrufen kann.
Oder wer denkt an Perchlorethylen, wenn der frisch aus der chemischen
Reinigung abgeholte Wintermantel in den Kleiderschrank im Schlafzimmer
gehängt wird? Perchlorethylen schädigt Nerven und innere Organe, steht
unter dem Verdacht, Krebs zu erzeugen und wird in chemischen Reinigungen
als Waschmittel eingesetzt. Mit den frisch gereinigten Kleidungsstücken
kommt das Gift in die Wohnung, wo es nur langsam ausgast. Auch neue Möbel
können die Raumluft für längere Zeit mit Lösemitteldämpfen belasten:
Lacke und Kleber, bei der Möbelherstellung verwendet, dünsten im heimischen
Wohnzimmer aus. Oft hält diese Belastung, am Geruch erkennbar, wochenlang an.
Besonders Baukastenmöbel, die gleich nach der Herstellung in Plastikfolie
luftdicht verpackt wurden und erst zu Hause zusammengebaut werden, führen
oft zu Beschwerden.
Dieses sind nur wenige Beispiele für eine Vielzahl von Materialien und
Gegenständen, aus denen die unterschiedlichsten Lösemittel ausgasen und
die Raumluft belasten können. Längst nicht alle Quellen für Lösemittel
in Innenräumen sind bekannt; immer wieder werden selbst Fachmenschen
verblüfft, weil scheinbar unverdächtige Gegenstände sich plötzlich als
eine Ursache für die Lösemittelbelastung in Wohnräumen erweisen. So hat
sich vor einigen Jahren gezeigt, daß frisch gedruckte Zeitungen und
Zeitschriften erheblich zur Raumluftbelastung mit Lösemitteln beitragen
können. Der Grund: Auch Druckfarben enthalten Lösemittel, die nur langsam
ausgasen. Wo Zeitungen und Zeitschriften in großeren Mengen lagern, in
Zeitungsläden und Buchhandlungen etwa, kann die Belastung so hoch sein,
dass vor allem fettreiche Lebensmittel erhebliche Mengen der giftigen
Chemikalien aufnehmen. Mehr durch Zufall als durch systematische Suche
entdeckt, überraschte dieser Fund die ExpertInnen. Weitere Überraschungen
sind zu erwarten. Das "Gift, das aus der Zeitung kommt" wird nicht
die letzte gewesen sein.
Luftanalytik: die Analyse von Glykolverbindungen entspricht im
Wesentlichen der VOC-Analytik. Wichtigster Unterschied: als Desorptionsmittel
wird anstelle von Schwefelkohlenstoff ein Gemisch aus Dichlormethan und
Methanol verwendet, da mit Schwefelkohlenstoff die Glykolverbindungen nicht
vollständig von der Aktivkohle heruntergelöst werden. Analytischer Nachweis
mit Hilfe eines mit einem Massenspektrometer gekoppelten Gaschromatographen
(GC/MS). Die Bestimmungsgrenze ist für die einzelnen Glykole sehr
unterschiedlich und beträgt bei 100 Liter Sammelvolumen zwischen 1 und
25 µg/m³ pro Substanz.
Materialanalytik: Materialproben werden zur Untersuchung auf
Glykolverbindungen in einem kleinen Prüfraum bei 60°C 2 Stunden lang im
Gasstrom extrahiert. Der beladene Extraktionsgasstrom wird über ein
Aktivkohle-Sammelröhrchen geleitet. Der weitere Analysengang entspricht
der Luftanalytik.
Glykolverbindungen werden seit einigen Jahren zunehmend als Lösemittel
eingesetzt. Sie werden hier jedoch von den Lösemitteln getrennt behandelt,
weil sie einige besondere Eigenschaften aufweisen.
Glykolverbindungen sind meist als Lösemittel in "Wasserlacken"
enthalten. Bis zu 10 Prozent der schädlichen Chemikalien, das erlaubt das
Umweltbundesamt, dürfen in Lacken enthalten sein, die den "blauen
Engel" verliehen bekommen. Das klingt zwar erstmal nicht viel,
vergleicht man es mit konventionellen Lacken, die bis zu 50% Lösemittel und
mehr enthalten können. Aber: den Umweltengel auf der Dose halten viele
Verbraucher für einen Freibrief zum sorglosen Gebrauch des Inhalts. Und
damit liegen sie falsch. Lösemittel in Wasserlacken sind keineswegs harmlos.
Teilweise stehen sie in Ihrer Giftigkeit den konventionellen Lösemitteln
nicht nach. Eine Reihe von Glykolverbindungen (präzise: die Ethylenglykolether
und ihre Acetate) haben sich im Tierversuch als embryotoxisch und Mißbildungen
erzeugend und darüber hinaus die Fortpflanzungsorgane schädigend erwiesen.
Da die giftigen Abbauprodukte dieser Substanzen nach der Aufnahme nur
langsam aus dem Körper ausgeschieden werden, können sie sich bei
langandauernder Exposition im Körper anreichern. 2-Butoxyethanol, ein in
Wasserlacken verwendetes Lösemittel, ist nicht nur augenreizend und
gesundheitsschädlich beim Einatmen, Verschlucken und Berühren mit der Haut,
sondern führt darüberhinaus zu Schädigungen im Blutbild und steht unter
dem Verdacht, Leber und Nieren zu schädigen.
Manche Glykolverbindungen verdunsten nur extrem langsam. Sie können über
Jahre hinweg aus gestrichenen Oberflächen ausgasen und die Raumluft belasten.
Davon merkt der Bewohner oder die Bewohnerin allerdings nicht viel: schon
kurze Zeit nach dem Verstreichen sind die Lösemitteldämpfe nicht mehr zu
riechen.
Glykole haben einige Eigenschaften, die sie für die Verwendung als Lösemittel
in Wasserlacken besonders attraktiv machen: im Unterschied zu den
"klassischen" Lösemitteln wie Toluol, Xylol oder Testbenzin
mischen sie sich in der Regel leicht mit Wasser. Das ist natürlich für einen
Lack, in dem Wasser das Hauptlösemittel darstellt, von besonderer Bedeutung,
zumal die in Wasserlacken enthaltenen Bindemittel sich eigentlich nicht in
Wasser lösen. Glykole verdampfen nur langsam, so daß die Raumlufkonzentrationen
beim Verstreichen niedriger liegen als bei Verwendung von konventionellen
Lösemitteln. Der Geruch der konventionellen Lösemittel wird von vielen
Verbrauchern mittlerweise als giftig und ungesund empfunden; Glykole riechen
nur schwach und dazu noch ganz anders als beispielsweise Toluol und Testbenzin.
Und, nicht zuletzt: die wenigen existierenden Grenzwerte für Glykole liegen
so hoch, daß die Kennzeichnungspflicht für ihre Produkte von den
Lackherstellern leicht zu umgehen ist.
Ein weiteres Problem, welches durch die Verwendung von Glykolen als Lösemittel
entstehen kann, sind sogenannte Sekundärkontaminationen. Sie entstehen, wenn
relativ schwerflüchtige Substanzen über lange Zeit hinweg die Luft in einem
Raum belasten und sich nach und nach auf ursprünglich unbelasteten Wänden,
Fußböden und in Textilien niederschlagen. Bekannt sind solche
Sekundärkontaminationen aus Häusern, in denen Oberflächen mit Holzschutzmitteln
behandelt wurden. Einige Jahre nach der Behandlung konnten Wirkstoffe wie
Pentachlorphenol (PCP) und Lindan auch in nicht behandelten Tapeten, Vorhängen
und Fußbodenbelägen nachgewiesen werden.
Sind Sekundärkontaminationen vorhanden, kann es extrem schwierig sein, die
Raumluftbelastung zu vermindern. Selbst das vollständige Entfernen der
behandelten Gegenstände oder Oberflächen reicht oft nicht aus. Die von den
großflächigen Sekundärkontaminationen ausgehende Belastung ist dann nur unter
großem Aufwand und mit hohen Kosten einigermaßen zu beseitigen.
Einige hochsiedende Glykolverbindungen mit Siedepunkten über 200°C werden
seit einigen Jahren besonders gerne in Klebern für Bodenbeläge verwendet.
Der Grund: im Oktober 1994 wurde die Technische Regel für Gefahrstoffe (TRGS)
Nr. 610 überarbeitet. In diesem Regelwerk, welches die Anforderungen der
Gefahrstoffverordnung im Detail formuliert, werden als Lösemittel kurzerhand
nur noch solche Chemikalien definiert, deren Siedepunkt unter 200°C liegt.
Hersteller von Bodenbelagsklebern, deren Produkte z.B. 3 % der Glykolverbindung
2-Phenoxyethanol (EGMP) enthalten (Siedepunkt: 245°C), dürfen diese als
"lösemittelfrei" bewerben. Wer einen solcherart
"lösemittelfreien" Kleber verwendet, hat anschließend häufig
ein Problem: Räume, in denen vor mehr als drei Monaten Auslegeware mit
solchen Klebern verlegt worden war, wiesen nach eigenen Messungen
Raumluftkonzentrationen bis zu 400 µg/m³ 2-Phenoxyethanol auf.
In der folgenden Tabelle finden Sie einzelne Glykole, für die wir bestimmte
Produkte als Quellen eindeutig nachweisen konnten:
IUPAC-Substanzbezeichnung | bisher eindeutig identifizierte Quellen |
---|---|
1,2-Propylenglykolmonomethylether (PGMM) | Möbelpolitur |
Ethylenglykol (EG) | Bodenbelagskleber, Wasserlacke |
1,2-Propylenglykol (1,2 PG) | Wasserlacke |
Ethylenglykolmonobutylether (EGMB) | Bodenbelagskleber, Wasserlacke |
Diethylenglykolmonobutylether (DEGMB) | Bodenbelagskleber, Wasserlacke |
Ethylenglykolmonophenylether (EGMP) | Bodenbelagskleber, Wasserlacke |
Dipropylenglykolmonobutylether (DPGMB) | Wand- und Deckenfarbe |
Propylenglykolmonophenylether (PGMP) | Wasserlacke |
Tripropylenglykolmonobutylether (TPGMB) | Latexfarbe, Tiefgrund |
Diethylenglykolmonobutyletheracetat (DEGMBA) | Bodenbelagskleber |
2,2,4-Trimethyl,-1,3-Pentandiolmonoisobutyrat | Wasserlacke |
Quellen für Glykolverbindungen in Innenräumen können sein: Lösemittel in Wasserlacken und konventionellen Kunstharzlacken, Wandfarben, Tiefgrund, Teppich- und PVC-Klebern (auch "lösemittelfreie"!), Feuchthaltemittel z.B. in Tabak, Papier, Gelatine, Fassaden- und Lackabbeizer, Tinte von Tintenstrahldruckern, Fußbodenpflegemittel, Möbelpolituren, Druckfarben.
Luftanalytik:Die Analyse von MVOC mittels Lösemitteldesorption entspricht
im Wesentlichen der Analytik der Glykole und Glykolderivate. Die Sammlung
erfolgt auf Anasorb 747, als Desorptionsmittel wird ein Gemisch aus
Dichlormethan und Methanol verwendet. Analytischer Nachweis mit Hilfe eines
mit einem Massenspektrometer gekoppelten Gaschromatographen (GC/MS). Die
Bestimmungsgrenze ist von Substanz zu Substanz unterschiedlich. Neben einem
substanzspezifischen Responsefaktor spielt vor allem das Vorhandensein störender
VOC in der untersuchten Raumluft eine Rolle. Bei einem Sammelvolumen von 240
Litern Raumluft liegt die Bestimmungsgrenze in der Regel zwischen
30 ng/m³ und 100 ng/m³.
Bei der Analyse von MVOC mittels Thermodesorption erfolgt die Probenahme auf
Sammelröhrchen, die mit dem Adsorptionsmittel TENAX gefüllt sind. Diese Röhrchen
können in speziellen Transportbehältern zusammen mit einer detaillierten
Probenahmeanleitung von ALAB bezogen werden. Die Röhrchen werden mit mindestens
2 Litern Luft bei einem Volumenstrom von ca. 100 ml/min beladen. Die Analyse
erfolgt nach thermischer Desorption gaschromatographisch mit massenselektivem
Detektor. Da sich die Bestimmungsgrenzen meistens nach dem Vorhandensein anderer
störender VOC in der Raumluft richten, die sich mit den nachzuweisenden MVOC
überlagern, liegt die Nachweisgrenze in der Regel ebenfalls bei 30 bis
100 ng/m³ pro Substanz. Die Vorteile gegenüber der Lösemitteldesorption
besteht in kürzeren Probenahmezeiten und einer umfangreicheren
Untersuchungspalette. Beispielsweise läßt sich Dimethylsulfid nur mit
Thermodesorption nachweisen, da es unter dem Lösemittelpeak liegt.
Mikroorganismen wie Schimmelsporen und Bakterien finden sich in Innenräumen auf
jeder Oberfläche. Für ihr Wachstum und die Vermehrung benötigen sie Nährstoffe
und Feuchtigkeit. Nährstoffe sind in den meisten Materialien, die zum Bau, zur
Dekoration und zur Einrichtung von Wohnungen und Häusern verwendet werden,
reichlich vorhanden. Von Schimmelpilzen und Bakterien verwertbare Nährstoffe sind
überwiegend aus Kohlenstoff und Wasserstoff aufgebaut, zudem enthalten sie oft
Sauerstoff und Stickstoff. Tapeten, Holz, Spanplatten, Papier, Gipskartonplatten,
Kork, Dichtungsmassen, Textilien und manche Kunststoffe enthalten Nährstoffe,
die von vielen Schimmelpilzen zum Wachstum und zur Vermehrung genutzt werden
können. Kommt noch genügend Feuchtigkeit hinzu, ist das Schimmelwachstum
vorprogrammiert.
Auch Materialien, die eigentlich nicht als Nahrungsgrundlage geeignet sind, können
verschimmeln. So bildet sich selbst auf Glasscheiben manchmal Schimmel; ein
Feuchtigkeitsfilm, angereichert mit Nährstoffen, die aus anderen Materialien
verdampfen und sich auf der Glasoberfläche niederschlagen, ermöglicht das Wachstum.
Eigentlich unverdauliche Gegenstände aus PVC können verschimmeln: PVC-Duschvorhänge
beispielsweise enthalten große Mengen an Weichmachern, die wiederum hervorragende
Nährböden für Schimmelpilze darstellen. Die nötige Feuchtigkeit ist bei
Duschvorhängen fast immer vorhanden.
Nicht sichtbare Schimmelschäden können zum Beispiel an Außenwänden hinter
Schränken, hinter diffusionsdichten Tapeten oder unter Bodenbelägen auftreten.
Typische Ursachen nicht sichtbarer mikrobieller Belastungen sind auch
raumlufttechnische Anlagen. Gerade ältere Klimaanlagen werden häufig nicht
ausreichend gewartet. Luftfilter, die jahrelang nicht gewechselt wurden, können
von Schimmel regelrecht durchwachsen sein, die Luftkanäle können durch
Kondenswasser zu einer Brutstätte für Keime aller Art werden. Auch die Wassertanks
der Luftbefeuchter in manchen Klimaanlagen können bei unzureichender Reinigung
eine Quelle für Schimmelpilze oder Bakterien werden. Eine mikrobielle Belastung
ganz anderer Art lässt sich häufig schon am Geruch erkennen: in Abwasserleitungen
lebende Fäulnisbakterien bilden leichtflüchtige Schwefelverbindungen wie
Dimethylsulfid und Dimethyldisulfid. Deren extrem starker Geruch nach faulen
Eiern und Fäkalien ist ein Indikator für Undichtigkeiten oder fehlende
Verschlussstopfen an Abwasserleitungen oder ausgetrocknete Geruchsverschlüsse
von Abflüssen.
Der Nachweis eines Schimmelbefalls wird heute noch häufig anhand der in der
Luft messbaren vermehrungsfähigen Zellen geführt. Die mit einem Luftkeimsammler
gesammelten Mikroorganismen werden auf speziellen Nährböden bebrütet, nach einer
gewissen Zeit werden die herangewachsenen "Kolonien" gezählt. Bei
verstecktem Schimmelbefall in der Bausubstanz, wenn also zwischen der Raumluft
und dem mikrobiellen Befall die direkte Luftverbindung fehlt, ist bei diesem
Verfahren die Gefahr eines falschen negativen Befundes jedoch groß. Zudem
geben viele häufig vorkommenden Schimmelarten ihre Keime nicht gleichmäßig an die
Raumluft ab. Wird gemessen, während der Schimmel sich eine Ruhepause gönnt,
kann das Ergebniss ebenfalls negativ und damit falsch ausfallen. Schließlich
verschmähen viele in der Luft vorhandenen Keime die üblicherweise verwendeten
Nährböden: sie verweigern schlicht das Wachstum und können daher auf diesem Wege
nicht nachgewiesen werden.
Die Hauptaktivität der Mikroorganismen richtet sich auf den Abbau komplexer
Nährstoffe zu einfacheren Verbindungen unter Bildung von Kohlendioxid und Wasser,
mikrobieller Biomasse und Energiegewinn für die Lebensprozesse. Während dieses
Um-/Abbaus werden eine ganze Reihe von Stoffwechselprodukten als flüchtige
Verbindungen abgegeben, die MVOC genannt werden. Diese MVOC (Microbial Volatile
Organic Compounds oder deutsch: mikrobielle flüchtige organische Substanzen),
sind häufig sehr geruchsintensiv und für die typischen Schimmel- oder
Bakteriengerüche verantwortlich. Die noch in geringsten Konzentrationen
(teilweise in nur wenigen Nanogramm pro Kubikmeter) gut wahrnehmbaren MVOC
weisen charakteristische chemische Eigenheiten auf, die für gute geruchliche
Wahrnehmbarkeit sorgen. Häufig finden sich Substanzen mit Doppelbindungen,
Alkohole und Schwefelverbindungen unter den MVOC. Der ungesättigte Alkohol
1-Octen-3-ol beispielsweise, ein Stoffwechselprodukt vieler Schimmelpilze,
riecht intensiv nach Pilzen. Er wird daher auch "Champignol" genannt.
Manche Bakterien scheiden Dimethyldislufid aus, eine durchdringend nach Fäkalien
riechende schwefelhaltige Substanz. Erhöhte Dimethyldisulfid-Konzentrationen
in der Raumluft können ein Hinweis auf undichte Abwasserleitungen sein.
Allerdings sind nicht alle flüchtigen Stoffwechselprodukte von Mikroorganismen
eindeutig einer mikrobiellen Quelle zuzuordnen. Eine Vielzahl von Substanzen wie
niedere Alkohole, Aldehyde, Ketone, Aromaten, Terpene und CO2 werden zwar auch
von Schimmelpilzen produziert, eignen sich aber nicht für das Erkennen eines
potentiell vorliegenden Schimmelpilzbefalls, da sie entweder ubiquitär (z. B. CO2)
oder aufgrund menschlicher Aktivitäten (z. B. Ketone und Alkohole aus Lösemitteln)
in der Umwelt vorhanden sind. Von Schimmelpilzen produzierte Terpene wie Limonen,
lpha - und beta -Pinen sowie Isolongifolen können aus Naturharzfarben oder
Klebstoffen ausdünsten. Auch die von manchen Mikroorganismen produzierten Aromaten
wie Toluol und Xylol können nicht als Indikatoren für einen Pilzbefall in
Innenräumen gelten, da sie aus dem Straßenverkehr oder aus
Einrichtungsgegenständen stammen könnten. Gegenwärtig werden vor allem
Dimethylsulfid, 2-Methyl-1-butanol, 2-Pentylfuran, 1-Octen-3-ol,
Dimethyldisulfid, 3-Methyl-1-butanol und 3-Methylfuran als Indikatoren für
Schimmelschäden verwendet. Neuere Forschungs-ergebnisse lassen allerdings
Zweifel aufkommen, ob diese sogenannten "Indikator-MVOC" tatsächlich
nur von Mikroorganismen gebildet werden. Im Zigarettenrauch beispielsweise
wurden große Mengen Methylfuran nachgewiesen. In Raucherwohnungen findet man
diese Substanz daher häufig auch dann, wenn keinerlei Schimmelbefall vorhanden
ist.
Neben der Indikatorfunktion wird auch ein mögliches gesundheitliches Risiko
durch MVOC diskutiert. Mit einer MVOC-Belastung in Verbindung gebracht werden
Symptome wie hartnäckige Schleimhautreizungen der oberen Atemwege und der
Kieferhöhlen, Kopfschmerzen und trockene Bindehäute, Müdigkeit, Juckreiz oder
Hautausschläge, unmotivierte Aggressivität, häufige Stimmungsschwankungen,
Gelenk- und Muskelschmerzen. Der unspezifische Charakter dieser Krankheitszeichen
dürfte aber eine eindeutige Zuordnung sehr schwierig machen. Zudem sind viele
Fachmenschen der Ansicht, dass die im Vergleich zu anderen Innenraumschadstoffen
sehr niedrigen Konzentrationen der MVOC gesundheitlich als irrelevant anzusehen
sind. Bis zur Klärung dieser Frage sollte die Indikatorfunktion der MVOC bei der
Bewertung daher im Vordergrund stehen.
© AGÖF / Verfasser: Peter Braun / Analyselabor in Berlin - ALAB GmbH /
Internet: www.alab-berlin.de
Stand: August 2003